• Martyriumsmuseum Sonnenburg
Im kleinen, heute polnischen Dorf Sonnenburg (polnisch: Słońsk) nahe der Stadt Küstrin (polnisch: Kostrzyn nad Odrą) in der Neumark erinnert ein kleines Museum an das Schicksal der Häftlinge des Konzentrationslagers und Zuchthauses Sonnenburg und an die etwa 800 Häftlinge, die kurz vor der Ankunft der Roten Armee am 30. Januar 1945 ermordet wurden.
Bild:Sonnenburg, 1945, Luftaufnahme des Gefängnisgebäudes, Yad Vashem
Sonnenburg, 1945, Luftaufnahme des Gefängnisgebäudes, Yad Vashem

Bild:Sonnenburg, 2015, Denkmal und Museumsgebäude, Stiftung Denkmal
Sonnenburg, 2015, Denkmal und Museumsgebäude, Stiftung Denkmal
Im neumärkischen Sonnenburg wurde 1832/33 ein Zuchthaus als Königliche-Preußische Strafanstalt errichtet. Fast hundert Jahre später wurde das Gefängnis 1930 wegen der katastrophalen sanitären Bedingungen geschlossen. Die Wiedereröffnung des Gefängnisses veranlassten die Nationalsozialisten: Als nach dem Reichstagsbrand im Frühjahr 1933 massenhaft Kommunisten, Sozialdemokraten und weitere Gegner des NS-Regimes verhaftet wurden, waren die Berliner Gefängnisse schnell mit vielen Häftlingen gefüllt und überbelegt. Das Berliner Strafvollzugsamt entschied, das Zuchthaus Sonnenburg erneut zu nutzen, nun als »staatliches Konzentrationslager« der Berliner Polizei. Berliner SA-Männer misshandelten und folterten die über 1.200 Insassen in Sonnenburg. 1934 wurde das Konzentrationslager aufgelöst und wieder in ein Zuchthaus umgewandelt. In Sonnenburg wurden fortan Straftäter, aber politische Gefangene interniert, später auch Deserteure und Zwangsarbeiter, sowie Häftlinge aus Westeuropa, die nach dem »Nacht-und-Nebel-Erlass« vom Dezember 1941 in das Deutsche Reich deportiert wurden, weil sie Widerstand leisteten oder sich in den Augen der Besatzer strafbar gemacht hatten.
Wenige Tage, bevor die Rote Armee den Ort Sonnenburg einnehmen konnte, erschossen Gestapobeamte aus Frankfurt an der Oder unter dem Kommando von SS-Hauptsturmführer Wilhelm Nickel in der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1945 etwa 800 von den etwa 1.000 noch im Zuchthaus verbliebenen Häftlingen. Die Anordnung für die Massenerschießung kam von Herbert Klemm, Staatssekretär im Reichsjustizministerium. Nur drei Häftlinge überlebten das Massaker.
Bild:Sonnenburg, 1945, Luftaufnahme des Gefängnisgebäudes, Yad Vashem
Sonnenburg, 1945, Luftaufnahme des Gefängnisgebäudes, Yad Vashem

Bild:Sonnenburg, 2015, Denkmal und Museumsgebäude, Stiftung Denkmal
Sonnenburg, 2015, Denkmal und Museumsgebäude, Stiftung Denkmal
Die Häftlinge des KZ Sonnenburg waren Intellektuelle, Sozialdemokraten und Kommunisten aus Berlin, unter ihnen die Schriftsteller Carl von Ossietzky und Erich Mühsam sowie der NS-Gegner und Anwalt Hans Litten.
Nach der Schließung des Konzentrationslagers wurden neben politischen Gefangenen und Straftätern auch Häftlinge aus vielen Ländern Europas im Zuchthaus Sonnenburg inhaftiert, die sich als Zwangsarbeiter oder Zivilisten in besetzten Ländern »strafbar« gemacht hatten. Sie kamen vor allem aus Norwegen, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Belgien sowie Luxemburg. Mehr als 800 Häftlinge erschossen Gestapobeamte vor dem Rückzug aus Sonnenburg. Unter den Opfern waren 91 sogenannte Zwangsrekrutierte aus Luxemburg, junge Männer, die sich der Einberufung in die deutsche Wehrmacht widersetzten. Damit war das Massaker von Sonnenburg gleichzeitig das größte einzelne Kriegsverbrechen an Luxemburgern.
Bild:Sonnenburg, 1945, Sowjetische Soldaten und Opfer eines Massakers, das ein SS-Kommando in der Nacht zum 31. Januar an 800 Häftlingen verübt hatte, Bundesarchiv, Bild 183-E0406-0022-035, k.A.
Sonnenburg, 1945, Sowjetische Soldaten und Opfer eines Massakers, das ein SS-Kommando in der Nacht zum 31. Januar an 800 Häftlingen verübt hatte, Bundesarchiv, Bild 183-E0406-0022-035, k.A.

Bild:Sonnenburg, 2011, Gedenkfriedhof für die Opfer des KZ Sonnenburg, Roland Totzauer
Sonnenburg, 2011, Gedenkfriedhof für die Opfer des KZ Sonnenburg, Roland Totzauer
Sonnenburg, das sich nur wenige Kilometer östlich der Oder befindet, ist seit 1945 polnisch und trägt seitdem den Namen Słońsk. Für die Opfer des Massakers vom 30. Januar 1945 wurde kurz nach dem Krieg am Rande des Ortes ein Ehrenfriedhof eingerichtet.
Das Gebäude des Zuchthauses wurde abgerissen. Vor dem Gelände des ehemaligen Zuchthauses wurde 1974 ein kleines Museum errichtet, das die Geschichte des Konzentrationslagers und des Zuchthauses erzählt. Die Initiative dazu kam von der Gemeindeverwaltung, die Bauarbeiten wurden von Insassen der örtlichen Strafvollzugsanstalt ausgeführt. Das kleine Betongebäude hat den Grundriss eines Kreuzes in Form des polnischen Militärverdienstordens Virtuti Militari.
Das Museumsgebäude wurde in einem grenzüberschreitenden deutsch-polnischen Projekt und mit Mitteln der Europäischen Union renoviert und im Oktober 2014 wiedereröffnet. Die neue, zweisprachige Dauerausstellung mit vielen multimedialen Elementen entstand ebenfalls in deutsch-polnischer Zusammenarbeit: Auf deutscher Seite waren die Gedenkstätte Seelower Höhen sowie die Berliner »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V.« (VVN-BdA) an der Umsetzung beteiligt. Gleichzeitig wurde vor dem Gebäude ein neues Denkmal in Form eines Kreuzes eingeweiht. An der Mauer hinter dem Kreuz befindet sich die polnische Inschrift: »Den Opfern des Lagers und Zuchthauses Sonnenburg«.
Die nahegelegene Mauer, an der das Massaker im Januar 1945 begangen wurde, ist bis heute von Einschusslöchern übersät. Da sie sich auf dem Gelände eines Sägewerks befindet, ist sie nicht öffentlich zugänglich.
Bild:Sonnenburg, 2015, Das 2014 eingeweihte Denkmal vor dem Museumsgebäude, Stiftung Denkmal
Sonnenburg, 2015, Das 2014 eingeweihte Denkmal vor dem Museumsgebäude, Stiftung Denkmal

Bild:Sonnenburg, 2015, Blick in die Dauerausstellung, Stiftung Denkmal
Sonnenburg, 2015, Blick in die Dauerausstellung, Stiftung Denkmal
Bild:Sonnenburg, 2015, Denkmal für Luxemburger Opfer auf dem Ehrenfriedhof, Stiftung Denkmal
Sonnenburg, 2015, Denkmal für Luxemburger Opfer auf dem Ehrenfriedhof, Stiftung Denkmal
Bild:Sonnenburg, 2015, Außenansicht des Museumgebäudes, Stiftung Denkmal
Sonnenburg, 2015, Außenansicht des Museumgebäudes, Stiftung Denkmal
Bild:Sonnenburg, 2015, Gedenktafel aus DDR-Zeit, Stiftung Denkmal
Sonnenburg, 2015, Gedenktafel aus DDR-Zeit, Stiftung Denkmal
Bild:Sonnenburg, 2015, Modell des Zuchthauses in der Dauerausstellung, Stiftung Denkmal
Sonnenburg, 2015, Modell des Zuchthauses in der Dauerausstellung, Stiftung Denkmal
Bild:Sonnenburg, 2015, Nachempfundene Zelle in der Dauerausstellung, Stiftung Denkmal
Sonnenburg, 2015, Nachempfundene Zelle in der Dauerausstellung, Stiftung Denkmal
Bild:Sonnenburg, 2015, Ort der Massenerschießung vom 30. Januar 1945, Stiftung Denkmal
Sonnenburg, 2015, Ort der Massenerschießung vom 30. Januar 1945, Stiftung Denkmal
Name
Muzeum Martyrologii w Słońsku
Adresse
ul. 3 Lutego 54
66-436 Słońsk
Telefon
+48 (0)505 536 306
Web
http://www.muzeum.slonsk.pl
E-Mail
muzeum@slonsk.pl
Öffnungszeiten
Mittwoch bis Sonntag 11.00 bis 16.00, Eintritt frei, Führung nach vorheriger Anmeldung möglich
Angebot
Dauerausstellung