• Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
In der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt befand sich eine der sechs zentralen »Euthanasie«-Tötungsanstalten des Deutschen Reiches. Hier ließ das nationalsozialistische Regime innerhalb von 15 Monaten 13.720 psychisch Kranke und geistig Behinderte sowie mehr als 1.000 Häftlinge aus Konzentrationslagern ermorden. Eine Gedenkstätte erinnert seit 2000 an die Schicksale der lange Zeit vergessenen Opfer.
Bild:Pirna, 1940, Ortsansicht, Archiv der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
Pirna, 1940, Ortsansicht, Archiv der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein

Bild:Pirna, 2009, Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, Thorbjörn Hoverberg
Pirna, 2009, Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, Thorbjörn Hoverberg
Der Begriff »Euthanasie« bezeichnete in der Zeit des Nationalsozialismus die Ermordung tausender Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Geplant und organisiert wurde der Mord an den Patienten von Heil- und Pflegeanstalten von einer unmittelbar Adolf Hitler unterstellten Organisation im Hauptamt II. Sie erhielt die Tarnbezeichnung »T4« nach der Anschrift der Zentrale in der Berliner Tiergartenstraße. Nachdem anfangs Kleinkinder bis zu drei Jahren der »Euthanasie« zum Opfer fielen, weitete sich die Tötung in der Folgezeit auf ältere Kinder und Jugendliche, ab 1940 unter dem Decknamen »Aktion T4« auch auf erwachsene Behinderte und Kranke aus. Die Tötung erfolgte in der ersten Phase durch Nahrungsentzug, Gift und Medikamente. Ab Januar 1940 wurden in immer mehr »T4«-Anstalten Gaskammern in Betrieb genommen. Ab 1941 nutzte auch die SS die Heil- und Pflegeanstalten im Rahmen der »T4-Aktion« für die Ermordung von nicht mehr arbeitsfähigen oder unerwünschten Häftlingen aus Konzentrationslagern. Die Massentötung der Häftlinge wurde in der Aktensprache der Nationalsozialisten »Sonderbehandlung 14f13« genannt. Ein Teil der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Sonnenstein wurde 1940 auf Beschluss der »T4«-Behörde zu einer »Euthanasie«-Anstalt umgebaut. Dazu gehörte neben dem Bau eines Krematoriums und der Installation einer Gaskammer auch die Errichtung einer Mauer um den Komplex. Auf diese Weise sollte das Geschehen vor der Öffentlichkeit verborgen werden. Von Juni 1940 bis August 1941 ermordeten Ärzte und Pfleger der Heil- und Pflegeanstalt in Pirna vor allem psychisch kranke und geistig behinderte Menschen. Die Opfer stammten aus psychiatrischen Anstalten, Heimen für geistig Behinderte, aber auch aus Alten- und Pflegeheimen. Nach einer ärztlichen Untersuchung wurden sie in Gruppen in den Keller des Hauses C16 geführt. Hier befanden sich eine als Duschraum getarnte Gaskammer und das Krematorium.
Bild:Pirna, 1940, Ortsansicht, Archiv der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
Pirna, 1940, Ortsansicht, Archiv der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein

Bild:Pirna, 2009, Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, Thorbjörn Hoverberg
Pirna, 2009, Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, Thorbjörn Hoverberg
Die Zahl der aus dem Einzugsgebiet Sachsen, Thüringen, Franken, dem Sudetenland, Schlesien sowie aus Ost- und Westpreußen stammenden Getöteten betrug 13.720. Im Sommer 1941 wurden hier im Rahmen der »Aktion 14f13« mehr als 1.000 kranke und arbeitsunfähige Häftlinge aus Konzentrationslagern ermordet.
Bild:o.O., 1935, Die 1940 in Pirna ermordete Maria Stephan mit ihrer Tocher, Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
o.O., 1935, Die 1940 in Pirna ermordete Maria Stephan mit ihrer Tocher, Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein

Bild:Pirna, 2009, Gedenkstele mit Namen der Opfer, Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
Pirna, 2009, Gedenkstele mit Namen der Opfer, Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
Nach der Beendigung der »Euthanasie«-Aktion in Pirna veranlassten die Verantwortlichen den Abbau sämtlicher Einrichtungen, die Aufschluss über das Geschehen in der Heil- und Pflegeanstalt hätten geben können. Im Sommer 1947 wurden im Dresdner Ärzteprozess einige der beteiligten Ärzte und Pfleger an der Mordaktion zum Tode verurteilt. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wurden die auf dem Sonnenstein verübten Verbrechen von den Bewohnern Pirnas verdrängt oder größtenteils verschwiegen. Erst seit Ende der achtziger Jahre bemühen sich Bürger der Stadt Pirna sowie Angehörige von Ermordeten um die Aufarbeitung dieser Geschichte. 1991 gründeten sie das »Kuratorium Gedenkstätte Sonnenstein e.V.«. Der Verein setzte sich seither für die Einrichtung einer Gedenkstätte ein. In den Jahren 1992 bis 1994 wurden die zur Tötung genutzten Kellerräume rekonstruiert. Im Juni 2000 konnte am historischen Ort eine Gedenkstätte eingeweiht werden. Verantwortlich für diese ist die Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Im November 2011 wurden zusätzlich ein Gedenkkreuz und ein Gräberfeld auf dem Gelände der ehemaligen Deponie Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein eingeweiht. Dort hatten Mitarbeiter der Tötungsanstalt die sterblichen Überreste zahlreicher ermordeter Menschen verkippt.
Bild:Pirna, 2008, Blick in die Dauerausstellung, Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
Pirna, 2008, Blick in die Dauerausstellung, Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein

Bild:Pirna, 2011, Blick auf das Gedenkkreuz und das Gräberfeld, Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
Pirna, 2011, Blick auf das Gedenkkreuz und das Gräberfeld, Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
Name
Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
Adresse
Schlosspark 11
01796 Pirna
Telefon
+49 (0)3501 710 960
Fax
+49 (0)3501 710 969
Web
http://www.pirna-sonnenstein.de
E-Mail
gedenkstaette.pirna@stsg.de
Öffnungszeiten
Montags bis freitags 9.00 bis 16.00
Samstags, sonntags und feiertags 11.00 bis 17.00
Am 24., 25, 26., und 31. Dezember sowie am 1. Januar geschlossen
Angebot
Kostenlose Führungen samstags um 14.30
Dauerausstellung, pädagogische Angebote für Besuchergruppen, Lehrerfortbildungen, Wanderausstellungen, Schicksalsklärung, Veranstaltungen, Vorträge