• Erinnerung an die ermordeten Juden von Dnepropetrovsk
In der Industriestadt Dnipro (bis 2016 Dnepropetrowsk, ukrainisch: Dnipropetrowsk) erinnern mehrere Denkmäler an die über zehntausend Juden, die während der deutschen Besatzung von 1941 bis 1943 von SS-Einsatzgruppen erschossen wurden.
Bild:Jekaterinoslaw, um 1900, Choralsynagoge, gemeinfrei
Jekaterinoslaw, um 1900, Choralsynagoge, gemeinfrei

Bild:Dnipro, 2013, Sowjetisches Denkmal am neuen jüdischen Friedhof, bmalina
Dnipro, 2013, Sowjetisches Denkmal am neuen jüdischen Friedhof, bmalina
Dnipro, die bis 2016 Dnepropetrowsk (ukrainisch: Dnipropetrowsk) hieß, liegt 400 Kilometer südöstlich der ukrainischen Hauptstadt Kiew an beiden Ufern des Dnepr. Bis 1926 hieß die Stadt Jekaterinoslaw. Kurz nach der Stadtgründung durch Katharina die Große im 18. Jahrhundert siedelten sich dort auch Juden an. Die Stadt entwickelte sich bis Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer bevölkerungsreichen Industriestadt, die besonders für Metallverarbeitung bekannt war. Auch mehr und mehr Juden zogen nach Dnepropetrowsk: Mit einer großen jüdischen Gemeinde und vielen jüdischen Schulen, Gebetshäusern und Vereinen war Dnepropetrowsk ein bedeutendes Zentrum jüdischer Kultur in der Region und blieb es auch in der sowjetischen Zeit. 1939 waren von den insgesamt 526.000 Einwohnern der Stadt etwa 89.000 Juden.
Vor der Einnahme der Stadt durch die deutsche Wehrmacht am 25. August 1941 konnten hunderttausende Einwohner fliehen oder wurden von den sowjetischen Behörden evakuiert, auch bis zu 60.000 Juden verließen die Stadt. So befanden sich beim Einmarsch der Wehrmacht nur noch etwa die Hälfte der Einwohner in Dnepropetrowsk, unter ihnen 30.000 bis 35.000 Juden. Zusammen mit der Wehrmacht rückten Verbände der SS-Einsatzgruppe C ein. Bereits im September 1941 erschossen deren Angehörige über 170 Juden. Nachdem die Juden von Dnepropetrowsk im Oktober 1941 noch horrende finanzielle Abgaben an die Besatzungsbehörden leisten mussten, befahl der Höhere SS- und Polizeiführer Jeckeln allen Juden sich am 13. Oktober an einem großen Kaufhaus zu sammeln. Von dort brachten Angehörige des Polizeibataillons 314 und ukrainische Hilfspolizisten die jüdischen Männer, Frauen und Kinder zum Botanischen Garten, wo sie sie erschossen. Einen Teil der Juden erschossen die Mörder auch auf dem alten jüdischen Friedhof. Insgesamt wurden vom 13. bis 14. Oktober 1941 etwa 12.000 Juden aus Dnepropetrowsk erschossen. Am 19. Oktober 1941 meldete die Wehrmacht die »Judenfrage« in der Stadt Dnepropetrowsk »als im wesentlichen gelöst«.
Bild:Jekaterinoslaw, um 1900, Choralsynagoge, gemeinfrei
Jekaterinoslaw, um 1900, Choralsynagoge, gemeinfrei

Bild:Dnipro, 2013, Sowjetisches Denkmal am neuen jüdischen Friedhof, bmalina
Dnipro, 2013, Sowjetisches Denkmal am neuen jüdischen Friedhof, bmalina
Die genaue Zahl der jüdischen Opfer in Dnepropetrowsk ist nicht bekannt. Im Sommer 1943 versuchte die SS mit einem sogenannten Sonderkommando 1005 die Spuren der Massenmorde zu verwischen: Jüdische Zwangsarbeiter mussten die Massengräber von 1941 ausheben und die Leichen verbrennen. Die Täter selbst gaben in ihren Berichten an, etwa 15.000 Juden aus Dnepropetrowsk ermordet zu haben. Im Oktober 1943 befreite die Rote Armee die Stadt.
Bild:Dnepropetrowsk, o.D., Nachkriegsaufnahme vom Ort der Massenerschießung im Botanischen Garten, Yad Vashem
Dnepropetrowsk, o.D., Nachkriegsaufnahme vom Ort der Massenerschießung im Botanischen Garten, Yad Vashem

Bild:Dnipro, 2005, Denkmal beim Botanischen Garten, Stiftung Denkmal
Dnipro, 2005, Denkmal beim Botanischen Garten, Stiftung Denkmal
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kehrten viele Juden nach Dnepropetrowsk zurück oder zogen dort hin. 1970 lebten wieder etwa 70.000 Juden in der Stadt, es gab jedoch nur eine Synagoge. Sie war gleichzeitig die einzige jüdische Einrichtung in Dnepropetrowsk. In den 1970er und 1980er Jahren wanderten immer mehr Juden nach Israel aus.
Mehrere, zu unterschiedlichen Zeiten aufgestellte Denkmäler erinnern an die ermordeten Juden von Dnipropetrowsk. Die erste Gedenktafel stellten jüdische Rotarmisten unmittelbar nach der Befreiung der Stadt auf; in hebräischen und russischen Inschrift war darauf ausdrücklich von jüdischen Opfern die Rede. Wenig später wurde diese Tafel entfernt, da sie nicht zur offiziellen sowjetischen Propaganda passte, die den systematischen Völkermord an den Juden verschwieg. Stattdessen gedenkt eine Stele im Juri Gagarin Park nahe des Botanischen Gartens »der Opfer des Faschismus«. Erst nach der Unabhängigkeit der Ukraine konnte eine Stele errichtet werden, die von jüdischen Opfern spricht; sie steht ebenfalls in der Nähe und hat eine hebräische und eine ukrainische Inschrift.
Auf dem neuen jüdischen Friedhof befindet sich ein weiteres Denkmal aus der Sowjetzeit: Eine ausgemergelte Figur aus Metall erhebt eine Hand zum Himmel und lässt aus ihr einen Vogel fortfliegen. Auch hier werden die Opfer nicht als Juden, sondern als »friedliche Bürger« bezeichnet.
2009 errichtete die jüdische Gemeinde ein Denkmal im Pisarzhewskij Park, dem ehemaligen alten jüdischen Friedhof.
2012 eröffnete in Dnepropetrovsk das nach eigenen Angaben größte jüdische Kulturzentrum der Welt. Das aus fünf Türmen bestehende Ensemble namens »Zentrum Menorah« wurde um eine alte Synagoge herum gebaut. Das Zentrum, das vor allem aus Spenden zweier ukrainischer Geschäftsmänner entstand, beherbergt unter anderem ein Hotel, ein Kongresszentrum und ein »Museum jüdischer Erinnerung und Holocaust in der Ukraine«.
Bild:Dnipro, 2004, Denkmal beim Botanischen Garten, »Tkuma«
Dnipro, 2004, Denkmal beim Botanischen Garten, »Tkuma«

Bild:Dnipro, 2013, Das 2012 eröffnete »Zentrum Menorah«, Roman Minchyn
Dnipro, 2013, Das 2012 eröffnete »Zentrum Menorah«, Roman Minchyn
Name
Pamjat' jewrejew zahyblyh u Dnipropetrowsku
Adresse
ul. Sholom Aleykhem 4
49000 Dnipro
Telefon
+38 056 452 2163
Web
http://tkuma.dp.ua/
E-Mail
tkuma@tkuma.com
Öffnungszeiten
Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.
»Museum jüdischer Erinnerung und Holocaust in der Ukraine«: dienstags, donnerstags und sonntags 10.00 bis 19.00
Angebot
Führungen