• Erinnerung an die ermordeten Juden von Plyskiw
In der ukrainischen Kleinstadt Plyskiw erinnern Denkmäler an zwei ehemaligen Standorten von Massenerschießungen von Juden an die Opfer.
Bild:Plyskiw, 2017, Die heute als Kulturzentrum benutzte ehemalige Synagoge, Stiftung Denkmal
Plyskiw, 2017, Die heute als Kulturzentrum benutzte ehemalige Synagoge, Stiftung Denkmal

Bild:Plyskiw, 2019, Detailansicht des Denkmals im Wald, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Plyskiw, 2019, Detailansicht des Denkmals im Wald, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Plyskiw ist eine Kleinstadt, 55 Kilometer nordöstlich von Winnyzja gelegen. 1897 waren fast die Hälfte der etwa 4.000 Einwohner Plyskiws Juden. 1919 und 1920 gab es mindestens fünf gezielte Angriffe auf Juden: die Täter waren je nach Frontverlauf ukrainische Nationalisten, marodierende polnische Truppen oder Angehörige der Roten Armee. 1926 war nur noch etwa ein Drittel der Einwohner Juden, und ihre Zahl fiel bis 1939 auf weniger als ein Viertel, da viele Juden in Großstädte umzogen.
Die deutsche Wehrmacht besetzte Plyskiw am 23. Juli 1941. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich etwa 600 Juden dort auf, etwa 300 Juden gelang es zuvor zu fliehen oder sich der Roten Armee anzuschließen. Die Deutschen stellten eine ukrainische Polizeieinheit auf, Juden mussten Zwangsarbeit leisten.
Ende August oder Anfang September 1941 erschossen Männer des Einsatzkommando 5 der Einsatzgruppe C 20-25 junge jüdische Männer an einem unbekannten Ort. Vermutlich am 8. September wurde eine weitere Gruppe von 20-25 Juden erschossen.
Am 22. Oktober erschossen deutsche Einheiten etwa 500 Juden, also die große Mehrheit der in Plyskiw lebenden Juden, im Wald nördlich der Stadt bei einem Tierkadaverfriedhof. Zuvor hatten deutsche und ukrainische Polizisten zwei Tage lang jüdische Häuser geplündert. Es kam zu Gewaltexzessen: zahlreiche Juden wurden totgeschlagen, Frauen und Mädchen vergewaltigt.
Am nächsten Tag ging das Morden weiter: mindestens 120 Juden wurden im Hof des ehemaligen Gebäudes des sowjetischen Innenministeriums NKWD erschossen.
Danach lebten noch einige hundert Juden, viele davon von außerhalb der Stadt, in einem überfüllten Ghetto in Plyskiw. Am 27. Mai 1942 wurden die meisten von ihnen, insgesamt 360 Juden aus Plyskiw, Dzjunkiw und Spytschynzi, im Wald ermordet. Die Täter waren vermutlich Angehörige der in Winnyzja stationierten deutschen Sicherheitspolizei.
Bild:Plyskiw, 2017, Die heute als Kulturzentrum benutzte ehemalige Synagoge, Stiftung Denkmal
Plyskiw, 2017, Die heute als Kulturzentrum benutzte ehemalige Synagoge, Stiftung Denkmal

Bild:Plyskiw, 2019, Detailansicht des Denkmals im Wald, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Plyskiw, 2019, Detailansicht des Denkmals im Wald, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Zwischen Spätsommer 1941 und Frühjahr 1942 gab es mehrere Mordaktionen gegen Juden in Plyskiw. Insgesamt ermordeten deutsche Einheiten etwa 1.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer in Plyskiw.
Bild:Plyskiw, 2019, Obelisk im Wald aus sowjetischer Zeit und Elemente der neuen Denkmalanlage, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Plyskiw, 2019, Obelisk im Wald aus sowjetischer Zeit und Elemente der neuen Denkmalanlage, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko

Bild:Plyskiw, 2019, Detailansicht des Denkmals im Wald bei der Einweihungszeremonie, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Plyskiw, 2019, Detailansicht des Denkmals im Wald bei der Einweihungszeremonie, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Den Holocaust überlebten nur etwa 16 Juden in und um Plyskiw. Nach der Befreiung der Stadt durch die Rote Armee im Januar 1944 ermittelte eine sowjetische Untersuchungskommission in der Stadt, doch ihre Ergebnisse blieben vage und widersprüchlich. Weder bei der Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg, noch bei späteren Verfahren in Westdeutschland wurden Täter jemals explizit wegen Verbrechen in Plyskiw zur Verantwortung gezogen.
In sowjetischer Zeit entstanden an zwei Orten Erinnerungszeichen für die jüdischen Opfer. Vermutlich 1976 wurde ein Denkmal am Ort der großen Massenerschießungen im Wald errichtet. Der Obelisk trug einen fünfzackigen Stern und eine russische Inschrift, die jedoch nicht auf die jüdische Identität der Opfer hinwies. Das zweite Erinnerungszeichen entstand am Standort der Massenerschießung vom 23. Oktober 1941, wo der vermutete Standort eines Massengrabs umzäunt wurde. Bis auf den Zaun deutete nichts auf die hier verübten Verbrechen hin.
Im Rahmen des Projekts »Erinnerung bewahren«, das bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin angesiedelt ist, wurden 2016/17 an beiden Standorten nicht-invasive archäologische Untersuchungen durchgeführt. An beiden Orten konnte dadurch die Anwesenheit von Massengräbern wissenschaftlich bestätigt werden. Als nächster Schritt entstanden im Rahmen von »Erinnerung bewahren« neue Denkmäler und Informationsstelen an den beiden Orten, die im September 2019 feierlich eingeweiht wurden.
Bild:Plyskiw, 2019, Denkmal im Wald am Tag seiner Einweihung, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Plyskiw, 2019, Denkmal im Wald am Tag seiner Einweihung, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko

Bild:Plyskiw, 2019, Denkmal am Ort der Massenerschießung im Stadtgebiet, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Plyskiw, 2019, Denkmal am Ort der Massenerschießung im Stadtgebiet, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Name
Меморіали жертвам Голокосту у Плискові
Web
https://www.erinnerungbewahren.de/plyskiw/
E-Mail
info@erinnerung-bewahren.de
Öffnungszeiten
Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.