Lager Royallieu – Gedenkstätte der Internierung und Deportation

Mémorial de l´internement et de la déportation Camp de Royallieu


Das »Mémorial de l´internement et de la déportation Camp de Royallieu« befindet sich in der Stadt Compiègne bei Paris. Nach der Besetzung durch die Wehrmacht im Juni 1940 richtete der Sicherheitsdienst der SS (SD) dort 1941 ein Internierten- und Deportationslager ein, in dem unter anderem französische Widerstandskämpfer und Juden festgehalten wurden. Vom Lager Royallieu-Compiègne wurden etwa 40.000 Menschen nach Auschwitz und in andere Lager auf deutschem Reichsgebiet weiter verschleppt. Seit 2008 erinnert auf dem Gelände eine Gedenkstätte an die Geschichte des Lagers und das Schicksal der Häftlinge.

Geschichte

Das »Mémorial de l´internement et de la déportation Camp de Royallieu« erinnert an ein deutsches Lager im besetzten Frankreich. Es befand sich in Compiègne, jenem symbolbeladenen Ort, in dessen Nähe zweimal, am 11. November 1918 und am 22. Juni 1940 unter umgekehrten Vorzeichen ein Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich vereinbart wurde: Am Ende des Ersten Weltkriegs besiegelte die Unterzeichnung die Niederlage des Deutschen Kaiserreichs, 1940 hingegen den vorläufigen Sieg der deutschen Wehrmacht über die französische Armee. Ende Juni 1940 beschlagnahmte die Wehrmacht den Kasernenkomplex Royallieu-Compiègne und hielt hier französische und britische Militärangehörige fest. Der Sicherheitsdienst der SS (SD) richtete dort dann im Juni 1941 ein Lager ein, in dem unter anderem Widerstandskämpfer, britische und russische Internierte und in Frankreich lebende Juden festgehalten wurden. Insgesamt befanden sich zwischen 1941 und 1944 bis zu 45.000 Menschen in Royallieu-Compiègne. Im Durchschnitt hielt der SD die Gefangenen einen Monat lang fest; etwa 40.000 Menschen wurden dann weiter verschleppt. Compiègne-Royallieu war Ausgangspunkt des ersten Transports von Juden aus Frankreich in das Vernichtungslager Auschwitz (27. März 1942). Transporte von Gefangenen gingen auch in die Konzentrationslager Mauthausen, Dachau, Neuengamme, Sachsenhausen, Ravensbrück und Buchenwald. Royallieu war das wichtigste Durchgangslager für Deportationen von Gegnern des mit Deutschland kollaborierenden Vichy-Regimes. Es war außer Struthof-Natzweiler das einzige Lager auf französischen Boden, das sich ausschließlich in deutscher Hand befand. Nach dem Krieg nutzten erneut die französischen Streitkräfte die Anlage.

Opfergruppen

Unter den insgesamt 46.000 bis 56.000 Häftlingen in Royallieu befanden sich in der Mehrzahl politische Häftlinge, etwa 70 Prozent. 12 Prozent waren Juden, deren Lebensbedingungen die schlechtesten im Lager waren. Von Royallieu aus wurden sie in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt. So genannte Geiseln, meist höhere französische Staatsbeamte, die unter besseren Bedingungen festgehalten wurden, machten etwa acht bis neun Prozent der Häftlinge aus. Zudem waren Strafgefangene im Lager interniert.

Erfahre mehr über Frankreich

Frankreich geriet nach der Niederlage seiner Armee im Juni 1940 unter deutschen Einfluss. Der Norden fiel unter deutsche Militärverwaltung, der Süden blieb zunächst unbesetzt. Im südfranzösischen Kurort Vichy wurde eine von Deutschland abhängige Regierung gebildet. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 300.000 Juden in Frankreich. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, da die Religionszugehörigkeit in Frankreich nicht registriert wurde. Ende 1940 wurden im Norden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Der Politik der Zwangsregistrierung, Ausgrenzung und Beraubung folgten systematische Festnahmen durch die französische Gendarmerie. Vor allem Juden ohne französischen Pass gerieten ins Visier des deutschen SS- und Polizeiapparates sowie der einheimischen Behörden. Mit dem Anwachsen des französischen Widerstandes ging der deutsche Militärbefehlshaber General Otto von Stülpnagel (1878–1948) dazu über, als Abschreckung Unbeteiligte erschießen und insbesondere Juden festnehmen zu lassen. Diese Verhafteten gehörten zu den ersten, die ab März 1942 in die Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt wurden. Etwa 75.000 Menschen wurden in über siebzig Transporten verschleppt und ermordet. Die Mehrzahl der französischen Juden überlebte, zumeist in Verstecken im südlichen Landesteil. Krieg und Verfolgung fielen in Frankreich etwa 600.000 Menschen zum Opfer, unter ihnen 270.000 Zivilisten. Während andere Opfergruppen bis heute wenig differenziert behandelt werden, hat sich seit Ende der 1980er Jahre die Forschung zu Patienten, die in Heimen und Kliniken zu Tode kamen, verstärkt. Heute wird von bis zu 50.000 Opfern ausgegangen. In beiden Landesteilen hatte es während der Besetzung Verfolgung, Kollaboration und Widerstand gegeben. Insbesondere die Erinnerung an den Kampf der »Résistance« als Ausdruck französischer Vaterlandsliebe und das Leid der »Deportation« boten nach dem Krieg die Möglichkeit, Gegensätze zwischen Konservativen (Gaullisten) und nach Moskau ausgerichteten Kommunisten zu überbrücken. Dem entsprechen die Widmungen zahlreicher Museen und Gedenkstätten – wie das »Mémorial des Martyrs de la Déportation« (Denkmal für die Märtyrer der Deportation) in Paris aus dem Jahr 1956 und das 2005 in der KZ-Gedenkstätte Natzweiler eröffnete »Centre Européen du Résistant Déporté« (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers). Ab Anfang der 1990er Jahre entstanden Einrichtungen wie das Maison d’Izieu (Haus von Izieu) bei Lyon, wo an 44 verschleppte jüdische Kinder erinnert wird, die Nationale Gedenkstätte im ehemaligen Lager Gurs sowie ein Erinnerungszentrum in Oradour sur Glane – einer Ortschaft, die die SS 1944 zerstört hatte. Die zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust ist die 2005 eröffnete »Mémorial de la Shoah« im Zentrum der Hauptstadt. Mittlerweile haben mehrere französische Staatspräsidenten die Mitverantwortung des Landes für den Holocaust in Frankreich anerkannt. Die 1988 eröffnete und 2002 erweiterte Gedenkstätte in Caen, die an die Landung der Westalliierten in der Normandie 1944 erinnert, ist die meistbesuchte Gedenkstätte außerhalb von Paris. Hier finden die jährlichen nationalen Gedenkfeiern an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland statt. Zudem gibt es zahlreiche regionale Museen, in denen die Auseinandersetzung mit Verfolgung, Widerstand und Deportation im Mittelpunkt steht.

Erinnerung

In der 2008 eröffneten Gedenkstätte, die unter Mitarbeit des französischen Historikers und Regisseurs Christian Delage entstand, sind unter anderem eine Ausstellung, eine Kapelle, eine »Wand der Namen«, ein Fluchttunnel und ein Garten der Erinnerung zu besichtigen.

Angebote

Ausstellung und historischer Rundgang, Führungen, pädagogisches Programm für Schulklassen

Öffnungszeiten

Außer Dienstags täglich 10.00 bis 18.00.

Kontakt

http://www.memorial-compiegne.fr

corinne.valere@memorial-compiegne.fr

+33 (0) 344 963 700

2 bis avenue des Martyrs de la Liberté
60200 Compiègne