Bahnhof Pithiviers - Mémorial de la Shoah

Gare de Pithiviers - Mémorial de la Shoah


Zwischen 1941 und 1943 wurden während der deutschen Besatzung rund 16.000 Juden in den Durchgangslagern Pithiviers und Beaune-la-Rolande im Département Loiret interniert. Die Bahnhöfe der beiden Städte dienten somit als Drehkreuz für ihre Deportation aus Frankreich. Die im Juli 2022 eingeweihte Gedenkstätte im ehemaligen Bahnhof Pithiviers erinnert an die Geschichte dieser beiden Transitorte und an die zentrale Rolle, die sie in der Verfolgung und der Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Frankreich spielten.

Geschichte

Die Lager Pithiviers und Beaune-la-Rolande im Département Loiret wurden am Anfang des Zweiten Weltkrieges von der französischen Armee für deutsche Kriegsgefangene eingerichtet. Nach der französischen Kapitulation vor der deutschen Wehrmacht im Juni 1940 besetzten die Deutschen den Norden Frankreichs, darunter das Département Loiret. Die Wehrmacht benutzte beide Lager zunächst zur Inhaftierung von französischen Kriegsgefangenen. Ab 1941 gestalteten die deutschen Behörden jedoch beide Lager um, um sie als Durchgangslager zur Internierung und Deportation der jüdischen Bevölkerung in Frankreich zu verwenden.

Am 14. Mai 1941 trafen die ersten jüdischen Häftlinge in beide Lager ein: 3.700 Männer, die am selben Tag in Paris in der »rafle du billet vert« (deutsch: »Razzia des grünen Briefs«) verhaftet wurden. Am 16. und 17. Juli 1942 verhaftete die französische Polizei auf Veranlassung der Gestapo über 13.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer in der Hauptstadt im Rahmen der berüchtigten »rafle du Vélodrome d’Hiver«. Während alleinstehende Erwachsene direkt ins Sammellager Drancy gebracht wurden, wurden Familien tagelang in der Radsporthalle zusammengepfercht, bevor sie schrittweise nach Pithiviers und Beaune-la-Rolande transportiert wurden. Zwischen Juni und September 1942 fuhren insgesamt acht Transportzüge direkt von den Bahnhöfen Pithiviers und Beaune-la-Rolande nach Auschwitz ab.

Nach dem Sommer 1942 wurden die übrigen Häftlinge im Lager Pithiviers nach Drancy und Beaune-la-Rolande verlegt. Das Lager Pithiviers diente bis zu seiner Befreiung im August 1944 zur Internierung von politischen Gefangenen, die in der Region verhaftet wurden, darunter Kommunisten. Dagegen wurde das Lager Beaune-la-Rolande bis zu seiner Schließung im Juli 1943 weiterhin als Durchgangslager für jüdische Deportierte in Verbindung mit Drancy genutzt. In der Nachkriegszeit wurden beide Lager abgerissen.

Opfergruppen

Insgesamt fielen 25 Prozent der jüdischen Bevölkerung in Frankreich zum Opfer der Shoah. Rund 76.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer wurden aus Frankreich in die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert, darunter mehr als 11.000 Kinder.

In den Durchgangslagern Pithiviers und Beaune-la-Rolande wurden etwa 16.000 Juden interniert, darunter 4.700 Kinder. 4.400 dieser Kinder wurden in Auschwitz ermordet.

Erfahre mehr über Frankreich

Frankreich geriet nach der Niederlage seiner Armee im Juni 1940 unter deutschen Einfluss. Der Norden fiel unter deutsche Militärverwaltung, der Süden blieb zunächst unbesetzt. Im südfranzösischen Kurort Vichy wurde eine von Deutschland abhängige Regierung gebildet. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 300.000 Juden in Frankreich. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, da die Religionszugehörigkeit in Frankreich nicht registriert wurde. Ende 1940 wurden im Norden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Der Politik der Zwangsregistrierung, Ausgrenzung und Beraubung folgten systematische Festnahmen durch die französische Gendarmerie. Vor allem Juden ohne französischen Pass gerieten ins Visier des deutschen SS- und Polizeiapparates sowie der einheimischen Behörden. Mit dem Anwachsen des französischen Widerstandes ging der deutsche Militärbefehlshaber General Otto von Stülpnagel (1878–1948) dazu über, als Abschreckung Unbeteiligte erschießen und insbesondere Juden festnehmen zu lassen. Diese Verhafteten gehörten zu den ersten, die ab März 1942 in die Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt wurden. Etwa 75.000 Menschen wurden in über siebzig Transporten verschleppt und ermordet. Die Mehrzahl der französischen Juden überlebte, zumeist in Verstecken im südlichen Landesteil. Krieg und Verfolgung fielen in Frankreich etwa 600.000 Menschen zum Opfer, unter ihnen 270.000 Zivilisten. Während andere Opfergruppen bis heute wenig differenziert behandelt werden, hat sich seit Ende der 1980er Jahre die Forschung zu Patienten, die in Heimen und Kliniken zu Tode kamen, verstärkt. Heute wird von bis zu 50.000 Opfern ausgegangen. In beiden Landesteilen hatte es während der Besetzung Verfolgung, Kollaboration und Widerstand gegeben. Insbesondere die Erinnerung an den Kampf der »Résistance« als Ausdruck französischer Vaterlandsliebe und das Leid der »Deportation« boten nach dem Krieg die Möglichkeit, Gegensätze zwischen Konservativen (Gaullisten) und nach Moskau ausgerichteten Kommunisten zu überbrücken. Dem entsprechen die Widmungen zahlreicher Museen und Gedenkstätten – wie das »Mémorial des Martyrs de la Déportation« (Denkmal für die Märtyrer der Deportation) in Paris aus dem Jahr 1956 und das 2005 in der KZ-Gedenkstätte Natzweiler eröffnete »Centre Européen du Résistant Déporté« (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers). Ab Anfang der 1990er Jahre entstanden Einrichtungen wie das Maison d’Izieu (Haus von Izieu) bei Lyon, wo an 44 verschleppte jüdische Kinder erinnert wird, die Nationale Gedenkstätte im ehemaligen Lager Gurs sowie ein Erinnerungszentrum in Oradour sur Glane – einer Ortschaft, die die SS 1944 zerstört hatte. Die zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust ist die 2005 eröffnete »Mémorial de la Shoah« im Zentrum der Hauptstadt. Mittlerweile haben mehrere französische Staatspräsidenten die Mitverantwortung des Landes für den Holocaust in Frankreich anerkannt. Die 1988 eröffnete und 2002 erweiterte Gedenkstätte in Caen, die an die Landung der Westalliierten in der Normandie 1944 erinnert, ist die meistbesuchte Gedenkstätte außerhalb von Paris. Hier finden die jährlichen nationalen Gedenkfeiern an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland statt. Zudem gibt es zahlreiche regionale Museen, in denen die Auseinandersetzung mit Verfolgung, Widerstand und Deportation im Mittelpunkt steht.

Erinnerung

1991 in Orléans als Verein gegründet, war das Cercil (»Centre d’Étude et de Recherche sur les Camps d’Internement dans le Loiret«, deutsch: »Studien- und Forschungszentrum über die Internierungslager im Loiret«) führend bei der Aufarbeitung der Geschichte der Durchgangslager Pithiviers und Beaune-la-Rolande. Am 27. Januar 2011 wurde das dem Cercil zugeordnete »Musée-Mémorial des enfants du Vel d’Hiv« (deutsch: »Erinnerungsmuseum der Kinder des Vel d’Hiv«) in Anwesenheit des ehemaligen Präsidenten Jacques Chirac und der Auschwitz-Überlebenden Simone Veil im Zentrum von Orléans eingeweiht. Das Museum erinnert an die Kinder, die in der »rafle du Vélodrome d’Hiver« verhaftet, in den Lagern Pithiviers und Beaune-la-Rolande interniert und anschließend nach Auschwitz verschleppt wurden. Seit 2018 ist das Museum dem Mémorial de la Shoah in Paris angegliedert.

Nach einer im Mai 2017 unterzeichneten Partnerschaftsvereinbarung beschlossen das Mémorial de la Shoah und die französische staatliche Eisenbahngesellschaft SNCF, den ehemaligen Bahnhof Pithiviers zu sanieren und dort einen weiteren Gedenkort einzurichten. Der Gedenkort wurde am 17. Juli 2022, genau 80 Jahre nach der »rafle du Vélodrome d’Hiver«, eingeweiht und beherbergt eine Dauerausstellung zur Geschichte der Bahnhöfe Pithiviers und Beaune-la-Rolande.

Angebote

Dauerausstellung zur Geschichte der Bahnhöfe Pithiviers und Beaune-la-Rolande, Führungen, Workshops

Öffnungszeiten

Juli und August: mittwochs bis sonntags 14.00 bis 18.00, Führungen mittwochs, freitags und sonntags
Rest des Jahres: sonntags 14.00 bis 18.00, Führung am ersten Sonntag im Monat um 14.30
Am 1. Januar, 26. April, 1. Mai, 9. Juni, 14. Juli, 15. August und 25. Dezember geschlossen

Kontakt

https://gare-de-pithiviers.memorialdelashoah.org/

accueil.pithiviers@memorialdelashoah.org

+33 2 38 72 92 02

Place de la Gare
45300 Pithiviers, France