In der kleinen polnischen Stadt Izbica erinnern mehrere Gedenksteine auf dem jüdischen Friedhof an die etwa 5.000 Juden der Stadt, die von den Deutschen deportiert und ermordet wurden. Für mehr als 12.000 weitere Juden wurde Izbica ab 1940 zum Durchgangsghetto in die Vernichtungslager Sobibor und Belzec.
Geschichte
Izbica liegt in Zentralpolen unweit von Lublin. Erstmals wurde der Ort im 15. Jahrhundert erwähnt. Ab dem 18. Jahrhundert siedelten sich dort fast ausschließlich Juden an und Izbica erhielt Stadtrechte. Die Zahl der Einwohner stieg schnell an, Izbica entwickelte sich zu einem typischen Schtetl: Neben anderen religiösen Einrichtungen war die Synagoge der zentrale Ort der überwiegend Jiddisch sprechenden Gemeinde. 1939 hatte Izbica etwa 6.000 Einwohner, über 5.000 von ihnen waren Juden. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs fiel Izbica unter deutsche Besatzung, die gesamte Umgebung Lublins wurde Teil des Generalgouvernements. Wegen des hohen jüdischen Bevölkerungsanteils erklärte die deutsche Verwaltung ganz Izbica zu einem Ghetto. Die Juden mussten im Ghetto Armbinden tragen und Zwangsarbeit leisten. Ab 1940/41 verschleppten die deutschen Besatzungsbehörden Juden aus Lodz (polnisch: Łódź), Glowno (polnisch: Głowno), Kalisch (polnisch: Kalisz) und Lublin nach Izbica. Unter dem Tarnnamen »Aktion Reinhardt« ermordete die SS ab März 1942 fast alle Juden aus dem Generalgouvernement in den Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka. Um die Opfer zu sammeln, errichteten die SS Durchgangslager. Da Izbica an der Bahnstrecke nach Belzec (polnisch: Bełżec) liegt, wurde der Ort zum Durchgangsghetto für tausende Personen. Juden aus dem Generalgouvernement, aber auch dem Deutschen Reich, Böhmen und der Slowakei wurden ab 1942 nach Izbica transportiert. Im Frühjahr 1942 lebten etwa 12.000 Juden unter schlimmsten Bedingungen im Ghetto Izbica. Zur gleichen Zeit begann die SS mit Massendeportationen nach Belzec. Fast alle ermordete die SS dort.
Opfergruppen
Von den etwa 5.000 jüdischen Mitgliedern der Vorkriegsgemeinde von Izbica überlebten nur 14. Zwischen 12.000 und 15.000 Juden wurden über Izbica in die Vernichtungslager Belzec und Sobibor deportiert und dort ermordet. Hunderte weitere Juden erschossen SS-Männer in Izbica selbst.
Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten.
Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug.
Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode.
Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma.
In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen.
Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.
Erinnerung
Nur wenige Spuren erinnern an die jüdische Stadt Izbica. Nach dem Krieg wurden auf dem jüdischen Friedhof in Izbica mehrere Gedenksteine errichtet. Dennoch blieb der jüdische Friedhof über Jahrzehnte in einem schlechten Zustand. Erst 2006 ließen die Stiftung zur Erhaltung des kulturellen jüdischen Erbes in Polen (polnisch: Fundacji Ochrony Dziedzictwa Żydowskiego) und die Filmproduktionsfirma Tvschoenfilm das ehemalige Gestapogefängnis in Izbica abreißen: Das Gebäude war 1941 zum Teil aus Grabsteinen vom jüdischen Friedhof errichtet worden. SS-Männer hatten Juden gezwungen, die Grabsteine abzubauen. Die Grabsteine kehrten 2006 zum jüdischen Friedhof von Izbica zurück; ein Teil der Grabsteine wurden an den Mauern eines Grabmals, dem Ohel (hebräisch wörtlich: Zelt), angebracht. Der Abriss des Gestapogebäudes in Izbica sowie die Rückkehr der Grabsteine zum Friedhof wurden von Tvschoenfilm in einem Dokumentarfilm erzählt. Zudem wurde im November 2006 ein Gedenkstein zur Erinnerung an die jüdische Gemeinde von Izbica eingeweiht.
Öffnungszeiten
Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.
Kontakt
ugizbica@mbnet.pl
+48 (0) 84 6183034
Cmentarz żydowski (ul. Fabryczna)
22-475 Izbica