Feld der Erschossenen von Schaerbeek

Enclos des Fusillés de Schaerbeek


Das Feld der Erschossenen von Schaerbeek liegt im Norden der belgischen Hauptstadt Brüssel auf dem Gelände eines ehemaligen Schießstandes, der im Ersten und im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Besatzern als Hinrichtungsstätte für Widerstandskämpfer genutzt wurde. Heute befinden sich dort 365 Gedenkkreuze und ein 1970 eingeweihtes Denkmal, die an die erschossenen Widerstandskämpfer erinnern.

Geschichte

Der »Tir national« (deutsch: »Nationaler Schießstand«) wurde 1889 im Stadtteil Schaerbeek im Norden der belgischen Hauptstadt Brüssel als Übungsplatz für die belgische Armee errichtet.

Mit dem Anfang des Ersten Weltkrieges im August 1914 besetzte die kaiserliche deutsche Armee das bis dahin neutral gebliebene Belgien und verfolgte eine brutale Unterdrückungspolitik gegen die Zivilbevölkerung. In diesem Kontext beschlagnahmte sie den »Tir national«, um dort Personen zu erschießen, die Widerstand leisteten. So wurden zwischen 1914 und 1918 unter anderem der belgische Architekt Philippe Baucq (1880-1915), die britische Krankenschwester Edith Cavell (1865-1915) und die belgische Krankenschwester Gabrielle Petit (1893-1916) dort hingerichtet.

Im Zweiten Weltkrieg griff die deutsche Wehrmacht Belgien wieder an. Nach der Kapitulation des Landes am 28. Mai 1940 wurde das Gebiet Belgiens unter deutsche Militärverwaltung gestellt. Wieder nahm die Wehrmacht den »Tir national« in Besitz und richtete dort über 250 Widerstandskämpfer hin, darunter den belgischen Arzt Youra Livchitz (1917-1944), der Anführer eines Überfalls auf einen belgischen Deportationszug nach Auschwitz war.

Opfergruppen

Im Ersten Weltkrieg wurden 35 Widerstandskämpfer am »Tir national« erschossen. Während des Zweiten Weltkrieges richtete die deutsche Wehrmacht 261 weitere Widerstandskämpfer dort hin.

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Das neutrale Belgien wurde im Mai 1940 angegriffen und stand fortan unter deutscher Militärverwaltung. Das deutschsprachige Gebiet um Eupen-Malmedy im Osten Belgiens wurde Teil des Deutschen Reiches. Damals lebten etwa 66.000 Juden im Land, darunter viele Flüchtlinge. Im Oktober 1940 wurden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Die Verfolgungs- und Beraubungspolitik der Besatzungsmacht mündete 1942 in die Vorbereitung systematischer Deportationen. Nachdem nur wenige Juden den Aufrufen zu angeblichen Zwangsarbeitseinsätzen folgten, führte der SS- und Polizeiapparat Razzien durch. Nach einem Aufenthalt im Zwischenlager Mechelen wurden die Verhafteten in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und dort sofort ermordet. Insgesamt fielen etwa 25.000 Juden und mehr als 350 Roma aus Belgien den Deportationen zum Opfer. Die Festung Breendonk bei Antwerpen diente ab September 1940 als Gefängnis, Auffang- und Durchgangslager, von wo vor allem politische Gegner der nationalsozialistischen Besatzer in deutsche Konzentrationslager transportiert wurden. Ende 1944 kam es im Rahmen der Ardennenoffensive im Südosten des Landes – in Lüttich und der Gegend um Malmedy – zu weitreichenden Zerstörungen mit zahlreichen zivilen Opfern, als deutsche Truppen erfolglos versuchten, die bereits bis Aachen vorgerückten Alliierten aufzuhalten. Etwa 90.000 Belgier wurden Opfer von Krieg und Besatzung. Die Mehrzahl der jüdischen Bevölkerung konnte dank der Hilfe nichtjüdischer Belgier überleben. Die belgische Gedenkkultur war und ist – entsprechend der politischen Struktur des Landes – mehrfach gespalten: Im französischsprachigen, wallonischen Landesteil ging lange eine verbreitete Überbewertung des Widerstandes mit der einseitigen Wahrnehmung Flanderns als »schwarz«. Dort wiederum beschönigten viele die Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzern als Kampf für die vom belgischen Staat verfolgte flämische Nation. Die Verfolgung der Juden wurde verdrängt, ein Gedenken lediglich von der jüdischen Gemeinschaft aufrechterhalten. Seit den 1980er Jahren setzten sich an belgischen Gedenkorten jene Darstellungen durch, die nicht nur die flämische, sondern auch die wallonische Kollaboration zeigten und sowohl Widerstand als auch Unterdrückung zum Thema machten. Bei der Eröffnung des jüdischen Deportations- und Widerstandsmuseums im flandrischen Mechelen im Jahr 1995 wurde deutlich, dass die von jüdischen und nichtjüdischen Belgiern geteilte Lagererfahrung eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Erinnerungen schafft. Die gleichberechtigte Existenz verschiedener Gedenkstätten wie zum Beispiel der Stätte des nationalen Widerstands in Breendonk und des Museums in Mechelen scheint inzwischen selbstverständlich zu sein.

Erinnerung

In der Nachkriegszeit wurde auf dem Gelände des »Tir national«, wo die Erschießungen stattfanden, ein Friedhof eingerichtet, das sogenannte Feld der Erschossenen. Dort befinden sich 365 Gedenkkreuze, die an die hingerichteten Widerstandskämpfer erinnern. Anschließend wurde das Gebäude des »Tir national« 1963 abgerissen und an dessen Stelle die Zentrale der staatlichen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft Belgiens (RTBF-VRT) erbaut.

1970 wurde das »Monument au prisonnier politique inconnu« (deutsch: »Denkmal für den unbekannten politischen Gefangenen«) im Feld der Erschossenen eingeweiht, um an die belgischen Gegner des nationalsozialistischen Regimes zu erinnern, die während des Zweiten Weltkrieges in deutsche Konzentrationslager deportiert wurden. Am 12. Januar 1983 wurde das Gelände des ehemaligen Schießstandes schließlich unter Denkmalschutz gestellt.

Am 31. Juli 2020 wurde das Feld der Erschossenen von Schaerbeek als »Nécropole nationale« (deutsch: »Nationale Gedenkstätte«) durch eine königliche Verordnung anerkannt.

Öffnungszeiten

Der Gedenkort ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

Rue Colonel Bourg 102
1030 Schaerbeek, Belgien/Belgium