In der Nähe der nordfriesischen Stadt Husum und der Ortschaft Schwesing befindet sich die »KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing«. Von September bis Ende Dezember 1944 mussten bis zu 2.500 Häftlinge bei der Errichtung der Festungsanlage »Friesenwall« Zwangsarbeit leisten.
Geschichte
Nach der Landung alliierter Truppen in der Normandie im Juni 1944 befahl Adolf Hitler am 28. August 1944 den Bau einer Befestigungsanlage an der deutschen Nordseeküste und der dänischen Grenze. Zu diesem Zweck wurden mehrere Zwangsarbeitslager entlang der Küste errichtet. Am 25. September 1944 transportierte die SS etwa 1.500 männliche Häftlinge aus dem Konzentrationslager (KZ) Neuengamme nach Schwesing bei Husum. Die Häftlinge wurden in einem Barackenlager untergebracht, das ursprünglich der Reichsarbeitsdienst (RAD) für 400 Personen errichtet hatte. Fortan hieß das Lager »Außenlager Husum-Schwesing«. Am 20. Oktober traf ein weiterer Transport mit 1.000 Häftlingen aus dem Stammlager Neuengamme ein, so dass sich zwischenzeitlich fast 2.500 Menschen in Husum-Schwesing befanden. Am 1. November wurden die zuletzt eingetroffenen Häftlinge in das Außenlager Ladelund weiterverschleppt. Die Häftlinge in Husum-Schwesing mussten beim Bau der Befestigungen Zwangsarbeit leisten. Der größte Teil von ihnen musste Panzergräben ausheben. Bei dieser schweren körperlichen Arbeit, immer den Schikanierungen der Kapos und der Wachmannschaften ausgesetzt, standen die Zwangsarbeiter meistens schon nach kurzer Zeit im Wasser, das aus dem Boden der Schächte trat. Aufgrund der schweren Arbeit, der unzureichenden Ernährung und der fehlenden hygienischen Versorgung gab es viele Krankheiten und Todesfälle in Husum-Schwesing: Jeden Tag starben etwa sechs Menschen, fast die Hälfte aller Häftlinge war krank. Da die militärische Lage sich im Winter 1944 anders entwickelte als von deutscher Seite erwartet, wurde das Lager am 29. Dezember 1944 wieder aufgelöst. Die SS brachte die Häftlinge zurück in das Stammlager Neuengamme. Der »Friesenwall« wurde nie fertig gestellt.
Opfergruppen
Der größte Teil der Häftlinge in Husum-Schwesing kam aus den Niederlanden. Weitere größere Gruppen bildeten Franzosen, Dänen und Polen. Es gab aber auch Häftlinge aus der Sowjetunion, aus Deutschland, Belgien, Italien, Jugoslawien, dem Protektorat Böhmen und Mähren (heute Tschechische Republik) und Spanien. Wie viele Menschen in Husum starben kann nur geschätzt werden. Wahrscheinlich gab es zwischen 300 und 400 Todesopfer.
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Deutschland
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert.
Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar.
In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen.
Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.
Erinnerung
Die »KZ-Arbeitsgruppe Husum-Schwesing« veröffentlichte 1983 die Geschichte des Außenlagers Husum-Schwesing in Husum. Von 1985 bis 1994 kaufte der Kreis Nordfriesland große Teile des ehemaligen Lagergeländes an. Am 27. November 1987 wurde eine Gedenkstätte auf dem Gelände eingeweiht. Neben Informationstafeln befindet sich dort ein Backsteingebäude, in dem ein Modell des ehemaligen Außenlagers zu sehen ist. Ein vergittertes Fenster und nah aneinander stehende Wände sollen die Enge des Lageralltags symbolisieren. Im Jahr 2000 wurde die alte Lagerstraße freigelegt. Seit 2001 befindet sich auf dem Gelände auch ein »Stelenfeld« aus rostigen Metallsäulen, auf denen Namen der Todesopfer von Husum-Schwesing zu lesen sind. Jede dieser über 300 Stelen steht für einen Toten.