Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz
Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz
Seit 2001 erinnert in Koblenz ein Mahnmal an die Opfer des Nationalsozialismus der Stadt zwischen 1933 und 1945.
Geschichte
Bereits kurze Zeit nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Deutschen Reich wurde am 8. März 1933 der Koblenzer Oberbürgermeister Hugo Rosendahl von der katholischen Zentrumspartei abgesetzt und durch das NSDAP-Mitglied Otto Wittgen ersetzt. Gestapo und Polizei verfolgten derweil politische Gegner des NS-Regimes. Adolf Hitler wurde am 31. August 1934 zum Ehrenbürger der Stadt Koblenz erklärt. In der Folge entwickelte sich Koblenz zu einem der vielen Knotenpunkte im nationalsozialistischen Netz der Verfolgung.
Die ersten Hetz- und Boykottaktionen gegen jüdische Mitbürger in Koblenz organisierten Nationalsozialisten am 1. April 1933. Einen vorläufigen Höhepunkt der Gewalt gegen Juden bildete die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. In Koblenz wurde dabei die Synagoge im Bürresheimer Hof am Florinsmarkt beschädigt und ihre Inneneinrichtung zerstört. Auch der Jüdische Friedhof im Stadtteil Rauental wurde verwüstet. Überdies wurden Juden misshandelt, jüdische Wohnungen und Geschäfte wurden zertsört. Im Jahr 1942 wurden 870 Juden aus der Region Koblenz über den Bahnhof Koblenz-Lützel in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Ein Jahr später folgte die Deportation von 149 Koblenzer Sinti vom Hauptbahnhof aus in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Von den 600 Juden, die 1933 in Koblenz gelebt hatten, überlebten nur 22 den Holocaust.
Opfergruppen
Das Mahnmal erinnert an die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz. Ihre genaue Zahl ist unklar.
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Deutschland
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert.
Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar.
In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen.
Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.
Erinnerung
Das Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz wurde am 23. August 2001 in Anwesenheit des damaligen Oberbürgermeisters Eberhard Schulte-Wissermann (1942–2024) eingeweiht. Es befindet sich auf dem Reichenspergerplatz gegenüber dem Hauptgebäude des ehemaligen Oberpräsidiums der Rheinprovinz. Initiator des Mahnmals war der im Sommer 1996 gegründete Förderverein »Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz e.V.«. Der Förderverein setzte sich auch für die Verlegung von Stolpersteinen in Koblenz ein und organisiert jedes Jahr am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, öffentliche Ausstellungen und Aktionen. Zudem betreibt er eine umfangreiche Webseite zur Dokumentation des Nationalsozialismus in Koblenz.
Verantwortlich für die künstlerische Gestaltung des Mahnmals war der aus Traben-Trarbach stammende Bildhauer Jürgen Waxweiler (* 1962). Das Mahnmal besteht aus zwei roten Sandsteinblockhälften sowie vier rostigen Stahlkäfigwinkeln. In die Schnittfläche des dem Oberpräsidium zugewandten Steins wurde der Text »Gedenkt der Verfolgten, Geschundenen, Ermordeten 1933–1945« eingemeißelt. Der zweite Stein ist dem Park zugewandt und trägt als Inschrift die Artikel 1 bis 5 des Grundgesetzes. Die Symbolik des Mahnmals mit den rostigen Stahlkäfigwinkeln soll zum Nachdenken über Freiheit und Unfreiheit sowie das geschehene Unrecht anregen.