Das »Mémorial Ascq 1944« erinnert an die Ermordung von 86 Zivilisten aus dem Dorf Ascq in der Nähe der französischen Stadt Lille durch Soldaten der Waffen-SS in der Nacht vom 1. auf den 2. April 1944. Das Massaker wurde als »Vergeltung« für einen versuchten Sabotageakt durch Mitglieder der Widerstandsgruppe »Voix du Nord« begangen.
Nach der französischen Niederlage vor der deutschen Wehrmacht im Juni 1940 besetzten die Deutschen den Norden Frankreichs, wobei die Departements Nord und Pas-de-Calais der Militärverwaltung in Belgien und Nordfrankreich unterstellt wurden. Das Dorf Ascq, etwa sieben Kilometer vom Stadtzentrum von Lille entfernt, wurde zu einem strategischen Ort für die französische Résistance, da dort die Eisenbahnstrecke in Richtung Brüssel verlief. 1943 gründete der Widerstandskämpfer Paul Delécluse (1910-1944) die »Gruppe von Ascq«, die der Widerstandsbewegung »Voix du Nord« (deutsch: »Stimme des Nordens«) untergeordnet war.
Am Abend vom 1. April 1944 wollte die »Gruppe von Ascq« nach der Durchfahrt eines Schnellzugs einen deutschen Güterzug sprengen. Kurzfristig wurde jedoch ein weiterer Zug mit Soldaten der 12. SS-Panzerdivision »Hitlerjugend« zwischen die beiden Züge geschoben. Als der zusätzliche Zug kurz vor 23 Uhr Ascq durchfuhr, wurden die Lokomotive und die ersten beiden Waggons aus den Schienen gesprengt. Obwohl niemand verletzt wurde, gab der SS-Obersturmbannführer Walter Hauck den Befehl, alle männlichen Einwohner des Dorfes aus ihren Häusern zu holen und entlang der Eisenbahnstrecke in Gruppen zu erschießen. Das Massaker wurde nach etwa zwei Stunden dank des Eingreifens der Feldgendarmerie von Lille abgebrochen. Die letzte Gruppe entkam knapp ihrer Erschießung, darunter der Bürgermeister von Ascq.
In den folgenden Tagen verbreitete sich die Nachricht über das Massaker schnell und empörte die französische Öffentlichkeit, obwohl die deutschen Behörden versuchten, die Ereignisse zu vertuschen. An der Beerdigung der Opfer des Massakers am 5. April 1944 nahmen etwa 200.000 Personen teil.
Zwischen Ende April und Anfang Mai 1944 wurden die Mitglieder der »Gruppe von Ascq« festgenommen und von einem deutschen Militärgericht zum Tode verurteilt. Sie wurden am 7. Juni 1944 am Fort de Seclin, einer Festung unweit von Lille, hingerichtet, darunter auch Paul Delécluse.
Insgesamt ermordete die SS 86 Männer zwischen 15 und 74 Jahren. Weitere 11 Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Die getöteten Männer hinterließen 75 Witwen und 127 Waisen.
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Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden 17 Teilnehmer vom Massaker von Ascq identifiziert und angeklagt. Am 2. August 1949 wurde der Prozess in Lille eröffnet. Von den neun Anwesenden wurden acht zum Tode verurteilt, darunter auch der ehemalige SS-Obersturmbannführer Walter Hauck, und einen zu 15 Jahren Zwangsarbeit. Acht weitere Angeklagte verurteilte das Gericht in ihrer Abwesenheit zum Tode. Die Todesurteile wurden jedoch nicht vollstreckt und die Verurteilten 1955 vom damaligen französischen Präsidenten René Coty begnadigt. Die meisten SS-Männer wurden 1956 aus der Haft entlassen, Hauck 1957.
Im Oktober 2017 erhielt der Fall neue Aufmerksamkeit, als Ermittlungen gegen Karl Münter, einen der 1949 in Abwesenheit verurteilten Verantwortlichen des Massakers, eingeleitet wurden. Im März 2018 wurden die Ermittlungen von der Generalstaatsanwaltschaft Niedersachsen wieder eingestellt, da Münter bereits 1949 für dieselbe Tat in einem anderen Land verurteilt worden sei. Münter starb 2019 im Alter von 96 Jahren. Bis heute fordert die Gemeinde Villeneuve-d’Ascq Gerechtigkeit an.
Ein Denkmal in Erinnerung an die Widerstandskämpfer der »Gruppe von Ascq«, die am 7. Juni 1944 erschossen wurden, wurde bereits am 12. Oktober 1947 in Anwesenheit des damaligen französischen Präsidenten Vincent Auriol in Ascq eingeweiht. Am 9. Oktober 1955 wurde zusätzlich der »Ensemble du Souvenir« (deutsch: »Ensemble des Gedenkens«) eingeweiht, der ein Gedenkstein in Erinnerung an die Opfer des Massakers und ein Gesundheitszentrum für Säuglinge umfasst, als Symbol für die Bewahrung des Lebens. Das Gesundheitszentrum wurde 1984 in ein Museum umgestaltet. 2005 wurde die Dauerausstellung erneuert und das Museum in »Mémorial Ascq 1944« umbenannt.
Dauerausstellung zum Massaker von Ascq, Führungen, Onlineressourcen
Mittwochs 13.30 bis 17.00
Feiertage außer dem 1. Mai und 4. Sonntag im Monat 14.30 bis 17.30
https://www.villeneuvedascq.fr/memorial-ascq-1944-2
memorialascq1944@villeneuvedascq.fr
+33 3 20 91 87 57
79 rue Mangin
59650 Villeneuve-d'Ascq, France