Nationale Gedenkstätte Gefängnis Montluc

Mémorial national de la prison de Montluc


Die Nationale Gedenkstätte Gefängnis Montluc in Lyon gehört zu den 10 »Hauts Lieux de la Mémoire Nationale« in Frankreich – Gedenkorte, die von dem französischen Verteidigungsministerium als besonders wichtig für die nationale Erinnerung hervorgehoben werden. Sie erinnert sowohl an die jüdischen Verfolgten als auch an die Widerstandskämpfer, die während des Zweiten Weltkrieges im Gefängnis Montluc inhaftiert waren und dem Vichy-Regime, beziehungsweise dem nationalsozialistischen Terror zum Opfer fielen.

Geschichte

Das Gefängnis Montluc wurde 1921 erbaut und diente als Militärgefängnis. Nach der französischen Kapitulation vor der deutschen Wehrmacht im Juni 1940 wurde es allmählich zu einem Werkzeug im Dienste des Vichy-Regimes. So wurden nicht nur politische Gegner, sondern auch erste Widerstandskämpfer, die in der Region aktiv waren und verhaftet wurden, inhaftiert.

Die Situation verschärfte sich drastisch, als im November 1942 auch die bisher unbesetzte »zone libre« (»freie Zone«) im Süden Frankreichs von der deutschen Wehrmacht besetzt wurde und die deutschen Behörden im Februar 1943 das Gefängnis Montluc in Besitz nahmen. Damit wurde das Gefängnis zu einem Zentrum der nationalsozialistischen Unterdrückungspolitik in der »zone sud« (»Südzone«), insbesondere in der Region Rhône-Alpes. Unter anderem wurde der Anführer der Résistance Jean Moulin nach seiner Verhaftung am 21. Juni 1943 dort inhaftiert.

Das Gefängnis Montluc wurde vor allem von der Gestapo benutzt, deren Regionalchef in Lyon der für seine Brutalität bekannte Klaus Barbie war. Neben politischen Gegnern und Widerstandskämpfern wurden nun auch Geiseln sowie jüdische Kinder, Frauen und Männer inhaftiert, bevor sie in das Sammel- und Durchgangslager Drancy und von dort weiter in die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager verschleppt wurden. Jüdische Männer, die älter als 15 Jahre alt waren, wurden in einer Holzbaracke, der sogenannten »Judenbaracke«, eingesperrt. Ab 1944 wurden Gefangene zudem bei außergerichtlichen Hinrichtungen und Massakern massenhaft ermordet.

Das Gefängnis wurde am 24. August 1944 befreit, die Stadt Lyon am 3. September 1944. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde es im Rahmen von »Säuberungsaktionen« von den französischen Behörden als Hafteinrichtung benutzt, um Kollaborateure zu bestrafen.

Opfergruppen

Nach dem Eintritt Frankreichs in den Krieg gegen Deutschland Anfang September 1939 waren die ersten Häftlinge des Gefängnisses Montluc zumeist Kommunisten, die infolge des Hitler-Stalin-Pakts unter Generalverdacht standen. Nach der französischen Niederlage gegen die deutsche Wehrmacht und der Unterzeichnung des Waffenstillstands im Juni 1940 kamen bald andere politische Gegner des neu entstandenen Vichy-Regimes, sowie die ersten Widerstandskämpfer, die in der Region verhaftet wurden, dazu. So überstieg bereits 1940 die Zahl der Gefangenen mit 360 bei weitem die eigentliche Kapazität des auf 127 Häftlinge ausgelegten Gefängnisses.

Die Übernahme des Gefängnisses Montluc durch die deutschen Besatzer im Februar 1943 leitete eine neue Periode in seiner Geschichte ein. Nun wurden zusätzlich zu politischen Gegnern und Widerstandskämpfern auch Geiseln und jüdische Kinder, Frauen und Männer vor ihrer Deportation inhaftiert. Auf dem Höhepunkt der nationalsozialistischen Verfolgung im Jahr 1944 saßen fast 1.300 Personen in Haft. Insgesamt wurden etwa 10.000 Personen während der Zeit der deutschen Besatzung im Gefängnis Montluc gefangen gehalten, von denen mehr als 60 Prozent in deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert wurden. Weitere fast 10 Prozent wurden im Gefängnis oder in seiner Nähe erschossen oder hingerichtet. In den letzten Monaten vor der Befreiung wurden viele Häftlinge ermordet, zwischen April und August 1944 mindestens 635. Allein bei den Massakern von Bron am 17., 18. und 21. August 1944 und Saint-Genis-Laval am 20. August 1944 wurden mindestens 229 Personen getötet.

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Frankreich geriet nach der Niederlage seiner Armee im Juni 1940 unter deutschen Einfluss. Der Norden fiel unter deutsche Militärverwaltung, der Süden blieb zunächst unbesetzt. Im südfranzösischen Kurort Vichy wurde eine von Deutschland abhängige Regierung gebildet. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 300.000 Juden in Frankreich. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, da die Religionszugehörigkeit in Frankreich nicht registriert wurde. Ende 1940 wurden im Norden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Der Politik der Zwangsregistrierung, Ausgrenzung und Beraubung folgten systematische Festnahmen durch die französische Gendarmerie. Vor allem Juden ohne französischen Pass gerieten ins Visier des deutschen SS- und Polizeiapparates sowie der einheimischen Behörden. Mit dem Anwachsen des französischen Widerstandes ging der deutsche Militärbefehlshaber General Otto von Stülpnagel (1878–1948) dazu über, als Abschreckung Unbeteiligte erschießen und insbesondere Juden festnehmen zu lassen. Diese Verhafteten gehörten zu den ersten, die ab März 1942 in die Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt wurden. Etwa 75.000 Menschen wurden in über siebzig Transporten verschleppt und ermordet. Die Mehrzahl der französischen Juden überlebte, zumeist in Verstecken im südlichen Landesteil. Krieg und Verfolgung fielen in Frankreich etwa 600.000 Menschen zum Opfer, unter ihnen 270.000 Zivilisten. Während andere Opfergruppen bis heute wenig differenziert behandelt werden, hat sich seit Ende der 1980er Jahre die Forschung zu Patienten, die in Heimen und Kliniken zu Tode kamen, verstärkt. Heute wird von bis zu 50.000 Opfern ausgegangen. In beiden Landesteilen hatte es während der Besetzung Verfolgung, Kollaboration und Widerstand gegeben. Insbesondere die Erinnerung an den Kampf der »Résistance« als Ausdruck französischer Vaterlandsliebe und das Leid der »Deportation« boten nach dem Krieg die Möglichkeit, Gegensätze zwischen Konservativen (Gaullisten) und nach Moskau ausgerichteten Kommunisten zu überbrücken. Dem entsprechen die Widmungen zahlreicher Museen und Gedenkstätten – wie das »Mémorial des Martyrs de la Déportation« (Denkmal für die Märtyrer der Deportation) in Paris aus dem Jahr 1956 und das 2005 in der KZ-Gedenkstätte Natzweiler eröffnete »Centre Européen du Résistant Déporté« (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers). Ab Anfang der 1990er Jahre entstanden Einrichtungen wie das Maison d’Izieu (Haus von Izieu) bei Lyon, wo an 44 verschleppte jüdische Kinder erinnert wird, die Nationale Gedenkstätte im ehemaligen Lager Gurs sowie ein Erinnerungszentrum in Oradour sur Glane – einer Ortschaft, die die SS 1944 zerstört hatte. Die zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust ist die 2005 eröffnete »Mémorial de la Shoah« im Zentrum der Hauptstadt. Mittlerweile haben mehrere französische Staatspräsidenten die Mitverantwortung des Landes für den Holocaust in Frankreich anerkannt. Die 1988 eröffnete und 2002 erweiterte Gedenkstätte in Caen, die an die Landung der Westalliierten in der Normandie 1944 erinnert, ist die meistbesuchte Gedenkstätte außerhalb von Paris. Hier finden die jährlichen nationalen Gedenkfeiern an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland statt. Zudem gibt es zahlreiche regionale Museen, in denen die Auseinandersetzung mit Verfolgung, Widerstand und Deportation im Mittelpunkt steht.

Erinnerung

Nach dem Zweiten Weltkrieg bestand das Gefängnis Montluc weiter. In den Jahren 1958-1962 wurden dort Mitglieder der FLN (»Front de libération nationale«, deutsch: »Nationale Befreiungsfront«), die für die Unabhängigkeit Algeriens kämpften, inhaftiert und hingerichtet. 1983 wurde nach einer langen Suche der ehemalige Lyoner Gestapo-Chef Klaus Barbie verhaftet und symbolisch eine Woche lang im Gefängnis Montluc gefangen gehalten, bevor er in ein anderes Gefängnis verlegt wurde. Das Gefängnis Montluc wurde 2009, nach 88 Jahren Nutzung, geschlossen.

Zunächst drohte das Gefängnis abgerissen zu werden. Daher arbeiteten Verbände wie die Association des rescapés de Montluc (deutsch: »Verband der Überlebenden von Montluc«) und Fils et filles de déportés juifs de France (deutsch: »Söhne und Töchter der jüdischen Deportierten Frankreichs«) zusammen, um das ehemalige Gefängnis als Gedenkort zu erhalten. Am 25. Juni 2009 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt und anschließend renoviert und dem Verteidigungsministerium zugeordnet. Im September 2010 wurde schließlich die Nationale Gedenkstätte Gefängnis Montluc der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Heute zeigt die Gedenkstätte nicht nur eine Dauerausstellung zur Geschichte des Ortes, sondern präsentiert regelmäßig auch Sonderausstellungen, die den Überlebenden des Gefängnisses das Wort erteilen, die Arbeit von Künstlern und die Welt der Haftanstalten in Dialog bringen, historische Ereignisse schildern und das Alltagsleben in Haft thematisieren. Zusätzlich organisiert die Gedenkstätte regelmäßig Führungen, unter anderem mit Schulgruppen und behinderten Menschen, und stellt auf ihrer Webseite zahlreiche Onlineressourcen zur Verfügung, darunter eine virtuelle Besichtigung des Gefängnisses.

Angebote

Dauerausstellung zur Geschichte des Gefängnisses Montluc, jährliche Sonderausstellungen zu verschiedenen Themen, Führungen, virtuelle Besichtigung, Onlineressourcen

Öffnungszeiten

Mittwochs bis freitags 14.00 bis 18.00, Führung um 16.00
Samstags 10.00 bis 12.30 und 14.00 bis 18.00, Führung um 16.00

Kontakt

https://www.memorial-montluc.fr/

info.memorial-montluc@onacvg.fr

+33 4 78 53 60 41

4 rue Jeanne Hachette
69003 Lyon, France