Shoah-Denkmal von Toulouse

Mémorial de la Shoah de Toulouse


Das 2008 eingeweihte Shoah-Denkmal von Toulouse erinnert an die Deportation und die Ermordung der Juden aus Toulouse und der Region Midi-Pyrénées im Zweiten Weltkrieg. Es handelt sich um das erste Shoah-Denkmal an einem öffentlichen Ort in Frankreich.

Geschichte

Nach der französischen Kapitulation vor der deutschen Wehrmacht im Juni 1940 wurde Frankreich in zwei Gebiete aufgeteilt: die »zone occupée« (»besetzte Zone«) im Norden und die unbesetzte »zone libre« (»freie Zone«) im Süden, die unter der Kontrolle des Vichy-Regimes stand. In Anlehnung an die deutschen Behörden in der »zone occupée« ergriff das Vichy-Regime rasch antijüdische Maßnahmen in der »zone libre«, um französische Juden von der Gesellschaft auszuschließen. Gleichzeitig wurden nicht-französische Juden ab Oktober 1940 in Internierungslager im Süden Frankreichs festgehalten, die ursprünglich für republikanische Flüchtlinge aus dem Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) vorgesehen waren. Die Präfektur von Toulouse verwaltete die größte Anzahl von Internierungslagern im Süden Frankreichs.

Im Juli 1942 schloss das Vichy-Regime mit den deutschen Behörden eine Vereinbarung, die die Auslieferung von 10.000 Juden aus der »zone libre« vorsah. Um diese Verpflichtung zu erfüllen, lieferten die französischen Behörden im Sommer 1942 Tausende nicht-französischer Juden an die Deutschen aus, die bis dahin in den Lagern der »zone libre« interniert waren, darunter den Lagern Gurs, Le Vernet, Noé und Récébédou, die alle von der Präfektur von Toulouse verwaltet wurden. Zusätzlich verhaftete die französische Polizei mehrere Tausend nicht-französische jüdische Kinder, Frauen und Männer am 26. August 1942 in einer umfangreichen Razzia in Toulouse.

Über diese Maßnahmen gab es viel Unmut in der Öffentlichkeit, insbesondere nachdem der Erzbischof von Toulouse Jules Saliège und der Bischof von Montauban Pierre-Marie Théas viel beachtete Protestbriefe veröffentlicht hatten. Unter diesem Druck wurden die Deportationen vorübergehend eingestellt. Nach der Übernahme der »zone sud« (»Südzone«) durch die Deutschen im November 1942 wurde ein Regionalbüro der Gestapo in Toulouse eingerichtet, das ab Mitte 1943 die Deportationen in kleineren Transporten wieder aufnahm.

Bis zur Befreiung von Toulouse im August 1944 wurden über 6.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer aus Toulouse und der Region Midi-Pyrénées in deutsche Vernichtungslager deportiert.

Opfergruppen

Rund 6.400 jüdische Kinder, Frauen und Männer wurden zwischen 1942 und 1944 aus Toulouse und der Region Midi-Pyrénées in deutsche Vernichtungslager deportiert. 97 bis 98 Prozent von ihnen wurden dort ermordet.

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Frankreich geriet nach der Niederlage seiner Armee im Juni 1940 unter deutschen Einfluss. Der Norden fiel unter deutsche Militärverwaltung, der Süden blieb zunächst unbesetzt. Im südfranzösischen Kurort Vichy wurde eine von Deutschland abhängige Regierung gebildet. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 300.000 Juden in Frankreich. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, da die Religionszugehörigkeit in Frankreich nicht registriert wurde. Ende 1940 wurden im Norden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Der Politik der Zwangsregistrierung, Ausgrenzung und Beraubung folgten systematische Festnahmen durch die französische Gendarmerie. Vor allem Juden ohne französischen Pass gerieten ins Visier des deutschen SS- und Polizeiapparates sowie der einheimischen Behörden. Mit dem Anwachsen des französischen Widerstandes ging der deutsche Militärbefehlshaber General Otto von Stülpnagel (1878–1948) dazu über, als Abschreckung Unbeteiligte erschießen und insbesondere Juden festnehmen zu lassen. Diese Verhafteten gehörten zu den ersten, die ab März 1942 in die Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt wurden. Etwa 75.000 Menschen wurden in über siebzig Transporten verschleppt und ermordet. Die Mehrzahl der französischen Juden überlebte, zumeist in Verstecken im südlichen Landesteil. Krieg und Verfolgung fielen in Frankreich etwa 600.000 Menschen zum Opfer, unter ihnen 270.000 Zivilisten. Während andere Opfergruppen bis heute wenig differenziert behandelt werden, hat sich seit Ende der 1980er Jahre die Forschung zu Patienten, die in Heimen und Kliniken zu Tode kamen, verstärkt. Heute wird von bis zu 50.000 Opfern ausgegangen. In beiden Landesteilen hatte es während der Besetzung Verfolgung, Kollaboration und Widerstand gegeben. Insbesondere die Erinnerung an den Kampf der »Résistance« als Ausdruck französischer Vaterlandsliebe und das Leid der »Deportation« boten nach dem Krieg die Möglichkeit, Gegensätze zwischen Konservativen (Gaullisten) und nach Moskau ausgerichteten Kommunisten zu überbrücken. Dem entsprechen die Widmungen zahlreicher Museen und Gedenkstätten – wie das »Mémorial des Martyrs de la Déportation« (Denkmal für die Märtyrer der Deportation) in Paris aus dem Jahr 1956 und das 2005 in der KZ-Gedenkstätte Natzweiler eröffnete »Centre Européen du Résistant Déporté« (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers). Ab Anfang der 1990er Jahre entstanden Einrichtungen wie das Maison d’Izieu (Haus von Izieu) bei Lyon, wo an 44 verschleppte jüdische Kinder erinnert wird, die Nationale Gedenkstätte im ehemaligen Lager Gurs sowie ein Erinnerungszentrum in Oradour sur Glane – einer Ortschaft, die die SS 1944 zerstört hatte. Die zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust ist die 2005 eröffnete »Mémorial de la Shoah« im Zentrum der Hauptstadt. Mittlerweile haben mehrere französische Staatspräsidenten die Mitverantwortung des Landes für den Holocaust in Frankreich anerkannt. Die 1988 eröffnete und 2002 erweiterte Gedenkstätte in Caen, die an die Landung der Westalliierten in der Normandie 1944 erinnert, ist die meistbesuchte Gedenkstätte außerhalb von Paris. Hier finden die jährlichen nationalen Gedenkfeiern an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland statt. Zudem gibt es zahlreiche regionale Museen, in denen die Auseinandersetzung mit Verfolgung, Widerstand und Deportation im Mittelpunkt steht.

Erinnerung

Das Shoah-Denkmal von Toulouse wurde auf Initiative des CRIF (»Conseil représentatif des institutions juives de France«, deutsch: »Repräsentativer Rat der jüdischen Institutionen in Frankreich«) und mit der Unterstützung der lokalen Behörden errichtet und vom Architekten Mikaël Seban entworfen. Am 9. November 2008 eingeweiht, handelt es sich um das erste Shoah-Denkmal an einem öffentlichen Ort in Frankreich.

Das Denkmal besteht aus sechs Türen aus Edelstahl, die die sechs Millionen jüdischen Opfer des Holocaust symbolisieren. Jede Tür trägt Inschriften auf Französisch, Deutsch und Hebräisch, die die folgenden Auszüge aus der Bibel zitieren: »Wo bist du?« und »Wo ist dein Bruder?«.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

antennesud@memorialdelashoah.org

29 square Boulingrin
31000 Toulouse, France