»Vergessener Koffer« – Denkmal für die Opfer des Holocaust

»Pozabljeni kovček« – Spomenik žrtvam holokavsta


Vor dem Holocaust war die jüdische Gemeinde der Kleinstadt Murska Sobota (deutsch: Olsnitz, ungarisch: Muraszombat) die größte in Slowenien. Am 26. April 1944 wurden die Juden aus Murska Sobota zusammen mit anderen Juden aus der Region Prekmurje (deutsch: Übermurgebiet) von den ungarischen Behörden und den deutschen Besatzern nach Auschwitz deportiert. Seit 2010 erinnert am Bahnhof von Murska Sobota das erste Denkmal in Slowenien, das den im Holocaust ermordeten Juden gewidmet ist, an die deportierten Juden.

Geschichte

Murska Sobota gehörte seit dem Mittelalter als Teil der Region Prekmurje zum Königreich Ungarn. Im Gegensatz zu den übrigen Gebieten des heutigen Sloweniens, die damals zu Innerösterreich gehörten, wurden die Juden von hier nicht vertrieben. Das genaue Datum der ersten Ansiedlung von Juden ist dabei unbekannt. Die erste Synagoge wurde im 18. Jahrhundert gebaut. Am 31. August 1908 wurde eine modernere und größere Synagoge eingeweiht. Jüdische Familien lebten vor allem in der Gegend der heutigen Slovenska-Straße, wo sie Geschäfte, eine Druckerei, ein Gasthaus und eine Apotheke betrieben.

Im Vertrag von Trianon im Jahr 1920 wurden Murska Sobota und die Region Prekmurje schließlich dem neu gegründeten Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (später Jugoslawien) zugesprochen. Murska Sobota beheimatete zu dieser Zeit die größte jüdische Gemeinde Sloweniens. Mitte der 1930er Jahre wurde die Stadt daher zum Sitz der Jüdischen Gemeinde Sloweniens. Neben der Synagoge im ebenfalls in Prekmurje gelegenen Lendava befand sich hier zudem eine der beiden einzigen aktiven Synagogen in Slowenien.

Am 6. April 1941 begann der Balkanfeldzug der deutschen Wehrmacht gegen Jugoslawien und Griechenland. In der Folge annektierte das mit Deutschland verbündete Ungarn die Region Prekmurje. Trotz vieler Diskriminierungen von Juden in Ungarn bestand für die Juden von Murska Sobota zu dieser Zeit keine Gefahr für ihr Leben. Dies änderte sich, als Ungarn Mitte März 1944 von deutschen Truppen besetzt und eine Kollaborationsregierung unter Döme Sztójay (1883–1946) eingesetzt wurde. Nun begann die Deportation und Ermordung der ungarischen Juden. Am 26. April 1944 mussten sich alle Juden von Murska Sobota mit wenig Gepäck in der Synagoge melden. Dort wurden sie über Nacht ohne Essen festgehalten. Am nächsten Tag wurden sie über Čakovec und Nagykanizsa in Ungarn in nationalsozialistische Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert, die meisten von ihnen nach Auschwitz.

Opfergruppen

Schätzungen zufolge überlebten von den 1.500 Juden in Slowenien im Jahr 1939 nur 200, was bedeutet, dass 87 Prozent von den Nationalsozialisten vernichtet wurden.

In der Region Prekmurje überlebten weniger als 30 der 438 dort lebenden Juden den Holocaust.

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Im April 1941 besetzte die deutsche Wehrmacht das Königreich Jugoslawien, das als Staat zerschlagen und zwischen dem Deutschen Reich und den benachbarten Ländern aufgeteilt wurde. Der nördliche Teil, Slowenien, kam unter italienische, deutsche und ungarische Verwaltung. Das von deutschen Truppen besetzte Gebiet sollte »germanisiert« werden. Geplant war, etwa 220.000 bis 260.000 Slowenen zu enteignen und dann auszusiedeln. Im Mai 1941 wurde im Schloss Reichenburg im Osten des Landes das zentrale Durchgangslager für die »Umsiedlung« der slowenischen Zivilbevölkerung eingerichtet. Insgesamt waren etwa 80.000 Menschen von den Verschleppungen betroffen. Bereits wenige Tage nach der Besetzung Sloweniens durch Deutschland und seine Verbündeten gründeten Kommunisten, linke Katholiken und bürgerliche Intellektuelle die »Osvobodilna Fronta« (Befreiungsfront), die mit dem Aufbau einer Partisanenarmee begann. Die deutschen Besatzer, die ab 1943 die italienische, ab 1944 auch die ungarische Zone Sloweniens kontrollierten, übten grausame Vergeltung – bis hin zur Zerstörung ganzer Dörfer. Die italienischen und ungarischen Besatzungsmächte boten den slowenischen Juden zunächst Schutz vor deutschen Transporten in die Vernichtungslager. Allerdings deportierte Italien einen Teil der jüdischen Bevölkerung im August 1943 auf die Adriainsel Rab. Etwa 300 dieser Verschleppten gerieten wenige Wochen später, nach der Besetzung von Rab durch die Wehrmacht, in die Hände der SS und wurden im März 1944 nach Auschwitz deportiert. Dorthin brachte die SS ab Frühjahr 1944 auch die slowenischen Juden aus der ungarischen Zone. Die deutsche Herrschaft endete in Slowenien erst im Mai 1945. Unmittelbar danach begannen die kommunistischen Partisanenverbände unter der Führung von Josip Broz Tito (1892–1980), zehntausende Angehörige der mit den Deutschen verbündeten Einheiten (so genannten Heimwehren), einheimische Deutsche und weltanschauliche Gegner zu verhaften und zu erschießen. Die Opferzahl steht bis heute nicht fest; bislang wurden 590 Massengräber entdeckt. Slowenien wurde nun Teil der sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien. Wie im gesamten Land entstanden zahlreiche Denkmäler zu Ehren der kommunistischen Partisanen. Einige Museen erinnerten auch an die Vertreibung der Slowenen, an die politischen Gefangenen und ihre Verfolgung sowie an den Terror während der deutschen Besatzungszeit. In der ehemaligen ungarischen Besatzungszone errichteten Überlebende und die jüdischen Gemeinden verschiedene Holocaustdenkmäler. Seit 1991 ist Slowenien unabhängig. Ein Bildersturm gegen die Zeugnisse der kommunistischen Gedenkkultur blieb aus. Die Gedenkstätte Partisanenlazarett »Franja« in Cerkno gehört heute zum UNESCO-Weltkulturerbe. In Marburg an der Drau (Maribor) wurde ab 1991 eine der besterhaltenen Synagogen im Ostalpenraum zum Regionalmuseum umgebaut. Seit 2011 ist das Zentrum für jüdisches Kulturerbe Synagoge Maribor dort beheimatet, vor dem Eingang steht ein Denkmal zur Erinnerung an die ermordeten und vertriebenen Juden der Stadt. Bereits kurz nach der Erlangung der Unabhängigkeit begann eine parlamentarische Kommission mit der Untersuchung der Massenmorde nach Kriegsende, eine weitere Kommission wurde 2004 eingesetzt.

Erinnerung

Nach dem Holocaust kam es in der jugoslawischen Teilrepublik Slowenien nicht zum Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde von Murska Sobota. 1954 wurde die Synagoge der Stadt, die einzige aktive Synagoge in Slowenien, die den Holocaust überdauert hatte, von den lokalen kommunistischen Behörden abgerissen, um Platz für neue Wohnungen zu schaffen. Die wenigen jüdischen Überlebenden der Stadt hatten die Synagoge nicht instand halten können und sie deshalb 1949 an die Stadt verkauft.

Erst nach der Unabhängigkeit Sloweniens und der Demokratisierung kam es in den 1990er und 2000er Jahren zu einer Wiederentdeckung des jüdischen Erbes der Stadt. Im Jahr 2014 enthüllten die Holocaust-Überlebende Erika Fürst und der Bürgermeister von Murska Sobota eine Gedenktafel, die den Standort der ehemaligen Synagoge markiert. Am Ort des jüdischen Friedhofs der Stadt wurde ebenfalls auf Initiative von Erika Fürst im Jahr 2015 ein Denkmal errichtet. Fünf Jahre zuvor, am 29. Januar 2010, wurde am Bahnhof von Murska Sobota, von wo aus hunderte Familien aus der Region deportiert wurden, das erste Holocaustdenkmal Sloweniens eingeweiht. Die Initiative dafür ging maßgeblich von Oto Luthar, dem Direktor des Wissenschaftlichen Forschungszentrums der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste, aus. Das Denkmal besteht aus einer leeren Bank und einem Koffer und erinnert an die von hier aus nach Auschwitz deportierten Juden, die nur ein Gepäckstück mit maximal 20 Kilogramm Gewicht mitnehmen durften.

Kontakt

Ulica arhitekta Novaka 23
9000 Murska Sobota