Zentrum für die Geschichte des Widerstands und der Deportation

Centre d´Histoire de la Résistance et de la Déportation


Das Zentrum für die Geschichte des Widerstands und der Deportation in Lyon erfüllt eine doppelte Aufgabe: einerseits die Erinnerungs- und Vermittlungsarbeit für die breite Öffentlichkeit, andererseits der Erhalt von Archivbeständen und Sammlungen. Es befindet sich im Gebäude der ehemaligen Schule für Militärärzte, das während der deutschen Besatzung als Zentrale der Gestapo diente.

Geschichte

Nach der französischen Niederlage gegen die deutsche Wehrmacht und der Unterzeichnung des Waffenstillstands im Juni 1940 wurde Frankreich in zwei Gebiete eingeteilt: die »zone occupée« (»besetzte Zone«) im Norden und die unbesetzte »zone libre« (»freie Zone«) im Süden, die unter der Kontrolle des Vichy-Regimes stand. Als eine Großstadt in der »zone libre«, die nahe an der Demarkationslinie lag, wurde Lyon ab dem Sommer 1940 zu einem Zentrum der Résistance: Zwei der bedeutsamsten französischen Widerstandsbewegungen, Combat und Franc-Tireur, wurden 1941 in Lyon gegründet, und auch andere Widerstandsgruppen waren in der Stadt aktiv. Im November 1942 wurde jedoch das gesamte Gebiet Frankreichs von der deutschen Wehrmacht besetzt, was eine drastische Verschärfung der Situation in Lyon mit sich brachte. Die Verfolgung durch die deutsche Gestapo und die französische Miliz verschärfte sich, und Schlüsselfiguren der Résistance wie Jean Moulin und Marc Bloch wurden in Lyon verhaftet und starben in Haft. Dennoch blieb der Widerstand in und um Lyon bis zum Ende der deutschen Besatzung stark.

Zur gleichen Zeit spitzte sich die Verfolgung der Juden in und um Lyon zu. So wurden ab August 1942 zahlreiche Razzien durchgeführt. Eine Schlüsselrolle spielte dabei der SS-Obersturmführer Klaus Barbie (1913-1991), der ab November 1942 als Chef der Gestapo in Lyon stationiert war und mit äußerster Brutalität vorging. Unter anderem war er für die Razzia der Rue Sainte-Catherine in Lyon am 9. Februar 1943 verantwortlich. Er orchestrierte auch die Deportation von jüdischen Kindern aus dem Dorf Izieu unweit von Lyon, die als eines der größten Verbrechen des Holocaust in Frankreich in die Geschichte einging.

Opfergruppen

Insgesamt wurden 6.100 jüdische Kinder, Frauen und Männer aus der Region Rhône-Alpes in die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert, darunter 1.995 aus Lyon. Von den 11.458 jüdischen Kindern, die aus Frankreich deportiert wurden, wurden bis heute 395 Kinder identifiziert, die in Lyon geboren wurden, lebten oder von dort deportiert wurden.

Zu den Opfern gehörten auch politische Gegner und Widerstandskämpfer. Während es keine genauen Angaben zu der Region Rhône-Alpes gibt, wird die Zahl der Opfer allein im Falle des »maquis du Vercors« (Widerstandsgruppe in den Gebirgen von Vercors) auf 623 bis 800 Tote geschätzt. Im gesamten Gebiet Frankreichs wurden zwischen 1940 und 1944 mehr als 60.300 Menschen, die politischen Widerstand geleistet hatten, in deutsche Gefängnisse und Konzentrationslager deportiert. Mindestens 42 Prozent von ihnen kamen dabei ums Leben.

Erfahre mehr über Frankreich

Frankreich geriet nach der Niederlage seiner Armee im Juni 1940 unter deutschen Einfluss. Der Norden fiel unter deutsche Militärverwaltung, der Süden blieb zunächst unbesetzt. Im südfranzösischen Kurort Vichy wurde eine von Deutschland abhängige Regierung gebildet. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 300.000 Juden in Frankreich. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, da die Religionszugehörigkeit in Frankreich nicht registriert wurde. Ende 1940 wurden im Norden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Der Politik der Zwangsregistrierung, Ausgrenzung und Beraubung folgten systematische Festnahmen durch die französische Gendarmerie. Vor allem Juden ohne französischen Pass gerieten ins Visier des deutschen SS- und Polizeiapparates sowie der einheimischen Behörden. Mit dem Anwachsen des französischen Widerstandes ging der deutsche Militärbefehlshaber General Otto von Stülpnagel (1878–1948) dazu über, als Abschreckung Unbeteiligte erschießen und insbesondere Juden festnehmen zu lassen. Diese Verhafteten gehörten zu den ersten, die ab März 1942 in die Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt wurden. Etwa 75.000 Menschen wurden in über siebzig Transporten verschleppt und ermordet. Die Mehrzahl der französischen Juden überlebte, zumeist in Verstecken im südlichen Landesteil. Krieg und Verfolgung fielen in Frankreich etwa 600.000 Menschen zum Opfer, unter ihnen 270.000 Zivilisten. Während andere Opfergruppen bis heute wenig differenziert behandelt werden, hat sich seit Ende der 1980er Jahre die Forschung zu Patienten, die in Heimen und Kliniken zu Tode kamen, verstärkt. Heute wird von bis zu 50.000 Opfern ausgegangen. In beiden Landesteilen hatte es während der Besetzung Verfolgung, Kollaboration und Widerstand gegeben. Insbesondere die Erinnerung an den Kampf der »Résistance« als Ausdruck französischer Vaterlandsliebe und das Leid der »Deportation« boten nach dem Krieg die Möglichkeit, Gegensätze zwischen Konservativen (Gaullisten) und nach Moskau ausgerichteten Kommunisten zu überbrücken. Dem entsprechen die Widmungen zahlreicher Museen und Gedenkstätten – wie das »Mémorial des Martyrs de la Déportation« (Denkmal für die Märtyrer der Deportation) in Paris aus dem Jahr 1956 und das 2005 in der KZ-Gedenkstätte Natzweiler eröffnete »Centre Européen du Résistant Déporté« (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers). Ab Anfang der 1990er Jahre entstanden Einrichtungen wie das Maison d’Izieu (Haus von Izieu) bei Lyon, wo an 44 verschleppte jüdische Kinder erinnert wird, die Nationale Gedenkstätte im ehemaligen Lager Gurs sowie ein Erinnerungszentrum in Oradour sur Glane – einer Ortschaft, die die SS 1944 zerstört hatte. Die zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust ist die 2005 eröffnete »Mémorial de la Shoah« im Zentrum der Hauptstadt. Mittlerweile haben mehrere französische Staatspräsidenten die Mitverantwortung des Landes für den Holocaust in Frankreich anerkannt. Die 1988 eröffnete und 2002 erweiterte Gedenkstätte in Caen, die an die Landung der Westalliierten in der Normandie 1944 erinnert, ist die meistbesuchte Gedenkstätte außerhalb von Paris. Hier finden die jährlichen nationalen Gedenkfeiern an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland statt. Zudem gibt es zahlreiche regionale Museen, in denen die Auseinandersetzung mit Verfolgung, Widerstand und Deportation im Mittelpunkt steht.

Erinnerung

Die Ereignisse und Verbrechen während der deutschen Besatzung in Lyon erregten internationale Aufmerksamkeit, als das Ehepaar Serge und Beate Klarsfeld den ehemaligen Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie, in Bolivien aufspürten. Barbie wurde nach einem weltweit verfolgten Prozess 1987 in Lyon zur lebenslangen Haft verurteilt und starb 1991 in Haft.

Wenige Jahre nach dem Prozess wurde das Zentrum für die Geschichte des Widerstands und der Deportation in Lyon gegründet. Die Initiative für seine Gründung geht auf den damaligen Bürgermeister der Stadt Michel Noir sowie den ehemaligen Anwalt der Nebenkläger im Prozess gegen Klaus Barbie Alain Jakubowicz zurück. Das Zentrum für die Geschichte des Widerstands und der Deportation wurde am 15. Oktober 1992 in Anwesenheit von Elie Wiesel, Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald und Friedensnobelpreisträger, und Jacques Chaban-Delmas, ehemaliger Widerstandskämpfer und Premierminister Frankreichs, eingeweiht.

Die Entscheidung, das Zentrum für die Geschichte des Widerstands und der Deportation in der ehemaligen Schule für Militärärzte unterzubringen, war höchst symbolisch: Das Gebäude diente während der deutschen Besatzung als Zentrale der Gestapo, und auch der Anführer der Résistance, Jean Moulin, wurde dort nach seiner Verhaftung am 21. Juni 1943 gefoltert.

Die Dauerausstellung wurde 2011 neu konzipiert und ab 2012 wiedergeöffnet. Sie stellt unter anderem Gegenstände, Fotografien, Archivdokumente und audiovisuelle Zeugnisse vor, die die Geschichte von Lyon im Zweiten Weltkrieg veranschaulichen. Zudem präsentiert das Zentrum für die Geschichte des Widerstands und der Deportation regelmäßig Wechselausstellungen, die sich dem Alltag im Krieg, der Verknüpfung zu anderen geschichtlichen Ereignissen und aktuellen Schwerpunkten und den Lebensläufen historischer Figuren widmen. Das Zentrum für die Geschichte des Widerstands und der Deportation ist auch die einzige Einrichtung, die dazu berechtigt ist, Ausschnitte aus dem Prozess gegen Klaus Barbie zu zeigen, und gewährleistet den Zugang zu ihren umfangreichen Sammlungen durch ihre Bibliothek und ihr Onlineportal.

Im Jahr 2024 hat das Zentrum für die Geschichte des Widerstands und der Deportation mehr als 65.000 Besucher empfangen.

Angebote

Dauerausstellung zur Geschichte von Lyon im Zweiten Weltkrieg, Wechselausstellungen zu verschiedenen Themen, Führungen, Workshops, Dokumentationszentrum, öffentlicher Zugang zu den Sammlungen durch ein Onlineportal, Onlineressourcen

Öffnungszeiten

- Museum und Shop: Mittwochs bis sonntags 10.00 bis 18.00, montags und dienstags geschlossen
- Bibliothek: Mittwochs bis freitags 13.30 bis 17.00, vormittags nach Vereinbarung

Kontakt

https://www.chrd.lyon.fr/

14 avenue Berthelot
69007 Lyon, France