• Erinnerung an die ermordeten Juden in Pryluky
Am östlichen Stadtrand Prylukys (russisch: Priluki), in einer Senke namens »Pliskunowka«, erinnert seit 2005 ein Denkmal an etwa 1.290 Juden, die dort am 20. Mai 1942 von deutschen Einheiten erschossen wurden.
Bild:Pryluky, um 1900, Historische Stadtansicht mit Synagoge, gemeinfrei
Pryluky, um 1900, Historische Stadtansicht mit Synagoge, gemeinfrei

Bild:Pryluky, 2012, Denkmal von 2005 an der Massenerschießungsstätte »Pliskunowka«, jewua.org, Chaim Buryak
Pryluky, 2012, Denkmal von 2005 an der Massenerschießungsstätte »Pliskunowka«, jewua.org, Chaim Buryak
Pryluky, etwa 120 Kilometer nördöstlich von Kiew am Ufer des Udais gelegen, ist ein bedeutendes Industriezentrum in der Region. Die erste Erwähnung der Stadt stammt aus dem Jahr 1085, Juden lebten ab dem 17. Jahrhundert dort. Die jüdische Gemeinde wurde während des Chmelnizkij-Aufstands 1648 nahezu ausgelöscht. Als Pryluky Teil des Russischen Zarenreichs war, erlebten die Juden Prylukys eine wirtschaftliche Blütezeit. In den Wirren nach der Oktoberrevolution 1917 kamen viele Juden bei antijüdischen Pogromen und bei Hungersnöten um. 1939 zählte die Stadt um die 6.140 Juden, was etwa 17 Prozent der Einwohner entsprach.
Nach ihrem Überfall auf die Sowjetunion besetzte die deutsche Wehrmacht die Stadt am 18. September 1941. Ein Großteil der Juden floh zuvor in den Osten oder schloss sich der Roten Armee an. Die deutsche Militärverwaltung stellte eine ukrainische Schutzpolizei auf und zwang die verbliebenen Juden Kennzeichnungen zu tragen und Zwangsarbeit zu leisten.
Am 1. Januar 1942 richteten die deutschen Besatzer ein Ghetto ein. Mitglieder der ukrainischen Schutzpolizei zwangen alle Juden in das Viertel rund um die Markthalle umzusiedeln. Anschließend wurde es mit Stacheldraht umzäunt. Viele Juden wurden vor dem Hungertod bewahrt, weil nichtjüdische Einwohner Prylukys über unterirdische Tunnel Lebensmittel ins Ghetto schmuggelten. Einen Monat später zählte die Feldkommandantur 1.178 Juden in der Stadt. Kurz darauf wurde der Großteil der jüdischen Männer in »Einzelaktionen« von der Geheimen Feldpolizei ermordet und an einer Rennbahn hinter dem lokalen Gefängnis zusammen mit nichtjüdischen Opfern verscharrt.
Am 20. Mai 1942 versammelten die Besatzer und ihre Helfer alle noch lebenden Juden des Ghettos unter dem Vorwand, dass sie umgesiedelt würden. Danach verschleppten sie die Einwohner des Ghettos zusammen mit Juden aus umliegenden Orten zur Senke »Pliskunowka«, am östlichen Stadtrand, wo sie alle erschossen und in mehreren Gruben verscharrten. In den folgenden Monaten ermordeten die Deutschen weitere Juden, denen zuvor die Flucht gelungen war.
Bild:Pryluky, um 1900, Historische Stadtansicht mit Synagoge, gemeinfrei
Pryluky, um 1900, Historische Stadtansicht mit Synagoge, gemeinfrei

Bild:Pryluky, 2012, Denkmal von 2005 an der Massenerschießungsstätte »Pliskunowka«, jewua.org, Chaim Buryak
Pryluky, 2012, Denkmal von 2005 an der Massenerschießungsstätte »Pliskunowka«, jewua.org, Chaim Buryak
In Pryluky wurden nicht nur Juden aus der Stadt, sondern auch Juden aus anderen Orten der Region Tschernigow ermordet. Die gesamte Opferzahl ist unbekannt.
Am 20. Mai 1942 ermordeten Mitglieder des SD- Sonderkommandos Plath unter dem Befehl des SS-Hauptsturmführers Julius Plath, alle Einwohner des Ghettos in Pryluky, sowie auch Juden aus umliegenden Orten. Dabei wurden sie durch lokale Hilfskräfte und Mitglieder der deutschen Feldgendarmerie unterstützt. Insgesamt wurden an diesem Tag etwa 1.290 Juden erschossen.
Bild:Pryluky, o.D., Schule Nr. 4, ein zentrales Gebäude im ehemaligen Ghetto, Yad Vashem
Pryluky, o.D., Schule Nr. 4, ein zentrales Gebäude im ehemaligen Ghetto, Yad Vashem

Bild:Pryluky, o.D., Alte Gedenktafel an der Massenerschießungstätte »Pliskunowka«, Yad Vashem
Pryluky, o.D., Alte Gedenktafel an der Massenerschießungstätte »Pliskunowka«, Yad Vashem
Am 18. September 1943 befreite die Rote Armee Pryluky. Nur wenige Juden überlebten die deutsche Besatzungszeit. Nach dem Krieg kehrten viele Juden zurück, die zuvor ins Landesinnere geflohen waren. 1959 zählte die Stadt etwa 2.000 jüdische Einwohner.
In den späten 1980er Jahren hat sich eine neue jüdische Gemeinde gegründet. In den 1990er Jahren wanderten viele jüdischen Einwohner nach Israel, Deutschland und in die USA aus.
Vereinzelt gibt es noch Spuren der alten jüdischen Gemeinde zu sehen. Anfang des 20. Jahrhunderts waren in Pryluky mehrere Synagogen und Gebetshäuser vorhanden. In den 1920er Jahren wurden sie in öffentliche Einrichtungen umgewandelt. Die damals zentrale Synagoge der Stadt wurde 1861 gebaut. In den 1920er wurde sie in einen Arbeiterclub und nach dem Krieg in ein Kino umfunktioniert, das 1990 schloss. Heute ist nur noch die Fassade erhalten. Im Gebäude der heutigen Musikschule befand sich früher die »Fratkinskij«-Synagoge. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde ein jüdischer Friedhof im Westen der Stadt gegründet, er ist bis heute erhalten.
Die Massenerschießungsstätte »Pliskunowka«, befindet sich im Osten der Stadt an der Straße Aeroflotska. Das Massengrab wurde im Juni 1944 von Angehörigen umfriedet und mit Blumen bepflanzt. 1948 wurden alle Leichname in ein gemeinsames Grab in der Senke umgebettet. 1967 stellten die beiden Überlebenden Leonid Briskin und Vladimir Entin ohne offizielle Erlaubnis der sowjetischen Behörden einen gusseisernen Gedenkstein mit folgender Inschrift auf: » Hier liegen die Opfer des Faschismus begraben, die von Hitlers Soldaten während der Besatzung Prylukys in den Jahren 1941–1943 erschossen wurden. Möge ihr Andenken für immer bewahrt bleiben«. Dass es sich bei den Opfern um Juden handelte, blieb bis zur Errichtung eines neuen Denkmals im Jahr 2005 unerwähnt. Das neue Denkmal aus Marmor trägt die ukrainische und hebräische Inschrift: »An diesem Ort wurden während der Okkupation am 20. Mai 1942 1.290 Juden von faschistischen Besatzern ermordet«.
Am Erschießungsort selbst, an der ehemaligen Rennbahn hinter einem Gefängnisgebäude, errichteten die sowjetischen Behörden 1978 ein Denkmal, das den Opfern des Faschismus gewidmet ist.
Bild:Pryluky, o.D., Historische Aufnahme der Massenerschießungsstätte »Pliskunowka«, Yad Vashem
Pryluky, o.D., Historische Aufnahme der Massenerschießungsstätte »Pliskunowka«, Yad Vashem

Bild:Pryluky, 2012, Massenerschießungsstätte »Pliskunowka«, jewua.org, Chaim Buryak
Pryluky, 2012, Massenerschießungsstätte »Pliskunowka«, jewua.org, Chaim Buryak
Bild:Pryluky, um 1900, Synagoge, gemeinfrei
Pryluky, um 1900, Synagoge, gemeinfrei
Bild:Pryluky, 2012, Im Gebäude der ehemalige »Fratkinskij«-Synagoge befindet sich heute eine Musikschule, jewua.org, Chaim Buryak
Pryluky, 2012, Im Gebäude der ehemalige »Fratkinskij«-Synagoge befindet sich heute eine Musikschule, jewua.org, Chaim Buryak
Bild:Pryluky, 2012, Fassade der ehemaligen Synagoge, jewua.org, Chaim Buryak
Pryluky, 2012, Fassade der ehemaligen Synagoge, jewua.org, Chaim Buryak
Bild:Pryluky, 2012, Jüdischer Friedhof, jewua.org, Chaim Buryak
Pryluky, 2012, Jüdischer Friedhof, jewua.org, Chaim Buryak
Bild:Pryluky, 2012, Schule Nr. 4, jewua.org, Chaim Buryak
Pryluky, 2012, Schule Nr. 4, jewua.org, Chaim Buryak
Bild:Pryluky, 2012, Denkmal am Massenerschießungsort hinter dem Gefängnis, jewua.org, Chaim Buryak
Pryluky, 2012, Denkmal am Massenerschießungsort hinter dem Gefängnis, jewua.org, Chaim Buryak
Name
Pamjatnik ubitych ewrejew
Adresse
Aeroflotskaja Uliza
17508 Pryluky
Öffnungszeiten
Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.