Gedenkzeichen für die ermordeten Juden von Luzk

Пам'ятники жертвам Голокосту в Луцьку


In der Großstadt Luzk (polnisch: Łuck) im Nordwesten der Ukraine erinnert seit 1990 ein Gedenkstein an die etwa 28.000 Juden, die von den Nationalsozialisten nach ihrem Einmarsch 1941 ermordet wurden.

Geschichte

Luzk (polnisch: Łuck) war Hauptstadt der historischen Region Wolhynien und gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zum Russischen Kaiserreich, danach bis 1939 zu Polen. 1939 hatte die Stadt etwa 39.000 Einwohner, davon 19.000 Juden, die andere Hälfte Ukrainer und Polen. Im selben Jahr wurde Luzk wie im Hitler-Stalin-Pakt vorgesehen von der Sowjetunion besetzt. Viele Polen wurden von den sowjetischen Besatzern verfolgt und verhaftet, jüdische Institutionen wurden geschlossen.
Als die deutsche Wehrmacht am 25. Juni 1941 in Luzk einmarschierte folgte ihr ein Vorauskommando des SS-Sonderkommandos 4a. Sofort erschossen die SS-Männer etwa 300 jüdische Männer, die sie der Brandstiftung beschuldigten. Im städtischen Gefängnis von Luzk fand das Vorkommando die Leichen von bis zu 1.000 Menschen, unter ihnen viele Ukrainer, die vom sowjetischen Geheimdienst NKWD ermordet wurden. Wenig später traf der Rest des Sonderkommandos 4a in Luzk ein. Feldmarschall Walter von Reichenau befahl eine Untersuchung durch die Wehrmacht und das Sonderkommando 4a, vermutlich war Reichenau in die Planung der »Vergeltungsmaßnahme« einbezogen. Am 2. Juli 1941 trieben ukrainische Milizionäre 1.160 jüdische Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren zusammen. SS-Männer und Freiwillige der Wehrmacht erschossen die Juden an der berühmten Burg von Luzk. Ab Herbst 1941 mussten etwa 500 Juden in einem Lager Zwangsarbeit leisten, alle übrigen etwa 17.000 Juden mussten im Dezember 1941 in ein Ghetto umziehen. Zwischen dem 20. und 23. August 1942 brachten Angehörige einer Sondereinheit der SS alle Juden aus dem Ghetto zu vorbereiteten Gruben außerhalb der Stadt und erschossen sie. Die letzten Juden aus Luzk wurden im September 1942 von SS-Leuten ermordet.

Opfergruppen

Angehörige der SS-Einsatzgruppe C erschossen im Sommer 1941 etwa 1.500 jüdische Männer. Alle bis zu 20.000 jüdischen Männer, Frauen und Kinder, die das Ghetto überlebten, erschoss die SS im Sommer und Herbst 1942.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Nach dem Krieg kehrten nur etwa 150 Juden nach Luzk zurück. Eine kleine jüdische Gemeinde entstand. Die meisten Juden aus Luzk wanderten jedoch ab den 1970er Jahren nach Israel aus. Am Standort der Massenerschießungen von 1942 im Süden der Stadt wurde 1990 ein Denkmal errichtet. Es wird von Grabsteinen des längst zerstörten jüdischen Friedhofs gesäumt.
Eine weitere Erinnerung an das einst blühende jüdische Leben in Luzk ist die im frühen 17. Jahrhundert im Stil der Renaissance erbaute Große Synagoge. Sie wurde nicht nur für religiöse Zwecke, sondern auch als Gemeindezentrum und als Festung gebaut. Das Gebäude wurde im Krieg teilweise stark zerstört, heute dient es als Vereinsheim eines Sportklubs. 1995 wurde an der Außenmauer der ehemaligen Synagoge eine kleine Gedenktafel angebracht. Die Inschrift in hebräischer und ukrainischer Sprache weist nicht nur auf die Bedeutung der Synagoge als Baudenkmal hin, sondern erinnert auch an die »zehntausenden Juden aus dem Luzker Ghetto, die 1942 von den Faschisten umgebracht wurden«.

Öffnungszeiten

Die Gedenkzeichen sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

Memorial: ul. Ahronomichna / Synagogue: bul. Danyla Halytskoho 33
43016 Luzk