In dem Dortmunder Polizeigefängnis Steinwache inhaftierte, folterte und tötete die Gestapo in der Zeit von 1933 bis 1945 politische Gegner, rassisch Verfolgte sowie tausende ausländische Zwangsarbeiter. An das Schicksal der Opfer erinnert die Dortmunder Mahn- und Gedenkstätte Steinwache.
Geschichte
1906 wurde in der Dortmunder Steinstraße ein Polizeidienstgebäude errichtet. In Anspielung auf den Straßennamen setzte sich in der Bevölkerung schon bald der Begriff »Steinwache« durch. Mitte der 1920er Jahre ließ die Dortmunder Polizei einen größeren Komplex an das Gebäude anbauen - ein fünfstöckiges Gefängnis und einen Verwaltungstrakt. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme nutzte die Gestapo einige Bereiche des Zellentraktes als Gefängnis. Im Erdgeschoss richtete sie mehrere Räume ein in denen Häftlinge verhört und gefoltert wurden. In den Jahren darauf entwickelte sich die Steinwache zu einer der berüchtigtsten Folterstätten Deutschlands. In der Anfangsphase des Nationalsozialismus nahm die Gestapo vor allem politische Gegner, bald darauf aber auch immer häufiger Personen aus rassischen Gründen fest. In der »Kristallnacht« vom November 1938 verhafteten Angehörige der Gestapo etwa drei Viertel aller volljährigen Dortmunder Juden und hielten sie in der Steinwache gefangen. Von dort wurden viele der jüdischen Männer in das KZ Sachenhausen verschleppt. Während des Zweiten Weltkrieges hielt die Gestapo tausende osteuropäische Zwangsarbeiter in dem Dortmunder Polizeigefängnis gefangen. Für viele der Verhafteten war die Steinwache eine Zwischenstation auf dem Weg in die Konzentrationslager.
Opfergruppen
Von 1933 bis 1945 waren schätzungsweise 65.000 Menschen in der Steinwache inhaftiert, etwa die Hälfte von ihnen aus politischen Gründen. Zahlreiche Funktionäre politischer Parteien und von Gewerkschaften, Vertreter der Kirchen, Juden, Sinti und Roma sowie ausländische Zwangsarbeiter wurden im Gefängnis verhört und misshandelt.
Die Anzahl der Todesopfer kann nicht genau beziffert werden, da die Gestapo die Todesfälle lediglich bis 1936 auflistete. Bis zu diesem Jahr waren 17 Gefangene während der Haft gestorben. Mehrere sowjetische und polnische Zwangsarbeiter ließ die Gestapo nach einer kurzen Haftzeit erschießen. Kurz vor Kriegsende erschoss die Gestapo an mehreren Orten in Dortmund die meisten der zu diesem Zeitpunkt in der Steinwache festgehaltenen Häftlinge.
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Deutschland
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert.
Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar.
In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen.
Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.
Erinnerung
Die Steinwache war eines der wenigen Gebäude in der Dortmunder Innenstadt, das nach dem Krieg keine größeren Bombenschäden aufwies. Bis 1976 diente es weiterhin als Polizeidienststelle. 1984 übereignete das Land Nordrhein-Westfalen das Gebäude der Stadt Dortmund. Einige Jahre später ermöglichte die Stadt die Einrichtung einer Gedenkstätte in dem Gefängnistrakt des historischen Gebäudes. 1992 wurde daraufhin die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache eröffnet. Seitdem ist die bereits in den 1980er Jahren erarbeitete Ausstellung »Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945« dort zu sehen. Mittlerweile wurde sie von den Mitarbeitern des Stadtarchivs Dortmund neu konzipiert und moderneren Ausstellungsstandards angepasst.